Dienstag, 3. Januar 2023

London Marathon 2022 - Der Letzte war der Härteste!



Mission Major Six completed!

London calling, yes, I was there, too
And you know what they said? Well, some of it was true
(The Clash - London Calling)

Mit dem London Marathon habe ich am Sonntag den letzten der sechs größten Marathonläufe der Welt, der sogenannten "Major Six", gefinisht, der mir noch gefehlt hat. 2009 in Frankfurt lief ich meinen ersten Marathon überhaupt, 2010 in Sankt Wendel meinen zweiten. Meiner erster "Major" war Berlin 2011, damals scheiterte ich knapp am Ziel des "Sub3-Marathons", also des Absolvierens der 42,195 km in unter drei Stunden.

2012-2018: Berlin, NYC, Boston, Chicago, Tokyo 
Das gelang mir in der Folge allerdings viermal hintereinander: Berlin 2012 in 2:56:47, New York 2013 in 2:59:33, Boston 2015 in 2:59:01 und Chicago 2016 in 2:59:47. In Tokyo 2018 verfehlte ich das Ziel mit einer 3:07:30 knapp, nachdem ich mir in der Vorbereitung einen Muskelfaserriss zugezogen hatte.

Eigentlich wollte ich schon 2019 in London laufen. Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt: Ich war mit der Buchung zu spät dran, und die InterAir-Gruppe, mit der ich 2018 in Tokyo so zufrieden war, war schon voll.

2019 war zudem sowieso ein hektisches Jahr, ich war Oberbürgermeisterkandidat bei der Wahl in Neunkirchen, und meine Partei erwartete zurecht ein volles Engagement im Wahlkampf nach meiner Nominierung im Herbst 2018, also auch schon zu Jahresbeginn, so dass eine Teilnahme am im April stattfindenden Marathon kaum möglich gewesen wäre, und eine Vorbereitung schon gar nicht - die Wahl war im Mai. Also musste ich dann doch ein Jahr warten und buchte den Marathon 2020.

Auch der hätte im April stattfinden sollen. Etwa in der Hälfte der Vorbereitung, die bis dahin exzellent lief, war aber klar: Das wird nichts werden. Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie wurde der London-Marathon 2020 zunächst auf Oktober verschoben. Im August 2020 wurde dann bekannt gegeben, dass aufgrund von Corona-Beschränkungen ausschließlich Profi-Athleten antreten werden. Bis dahin hatte ich aber längst auf den April 2021 optiert, und später - eben auch wegen Corona - weiter verschoben: Oktober 2021, April 2022, letztendlich dann auf den Oktober 2022.

COVID war echt nervig: Trotz aller Vorsicht, Impfungen, Maskentragen, Abstand halten und Hände waschen infizierte sich zunächst meine Frau (als Krankenschwester kaum zu verhindern) im Dezember 2020, in 2021 meine beiden noch zu Hause lebenden Töchter, und ich mich schließlich im Mai 2022.

Es gelang uns zwar jedes mal, durch sofortige Isolierung des/der Erkrankten in der jeweiligen Situation eine "Weitergabe" zu verhindern, aber im Endeffekt traf es uns alle - bis auf meinen in der Zwischenzeit "ausgeflogenen" Sohn.

Ich erinnere mich noch gut, es war kurz vor meinem Geburtstag, als ich nachts aufwachte und leichtes Halsweh hatte. Beim Aufstehen taten meine Knie ein wenig weh - nun gut, ich hatte tagsüber mit dem Rennrad eine flotte, profilierte Runde über Tholey (52 km) gedreht, also warum auch nicht?

Seit Jahren Abo-Betriebssportsaarlandmeister:
Team Stadt/Sparkasse NK (mit Martin u. Patrick)
"Komm, mach einen Test!", dachte ich, noch halb schlaftrunken - und zack, zwei Striche. Mist! Donnerstags morgens bestätigte ein PCR-Test das Schnelltestergebnis, aber am Abend des Donnerstags waren die Symptome schon vollständig verschwunden. Ohne das nächtliche Erwachen hätte ich die Infektion vielleicht komplett übergangen. So folgten sieben Tage "Doppelstriche",  zehn Tage Quarantäne, ein "sauberer" PCR-Test - und weiter ging's!

Ich fühlte mich auch fit, riss ab dem 12.05. bis zum 18.06. 2.000 km auf dem Rad ab und fuhr beim Neunkircher Triathlon als Staffelradfahrer die 20 km in einem 36er-Schnitt. So dachte ich, die Infektion hätte mir nicht geschadet.

Zumal ich auch im Juni/Juli zunächst noch zuhause ein hohes Pensum absolvierte, auch mit sehr langen Radfahrten und flotten Läufen, und ab dem 12.07. bis zum 27.07. während eines Aufenthalts in Minnesota in 13 Laufeinheiten 150 km in einem 5:12er-Schnitt absolvierte. So fühlte ich mich prächtig vorbereitet und stieg optimistisch in die Zehn-Wochen-Vorbereitung nach Steffny ein, die am 29.07. begann. VO²-Max bei 52, Gewicht 85 kg - nicht unüblich für den Beginn einer Vorbereitung (ok, zwei Kilo leichter wäre ich schon gern gewesen, aber in Minnesota wurde einfach zu gut gekocht).

Nach meinem Formgefühl, unter Berücksichtigung der COVID-Infektion und eingedenk der Tatsache, dass ich bei meinem letzten Wettkampfmarathon unter drei Stunden 47 und nicht wie jetzt 53 Jahre alt war, hatte ich mich keinen Illusionen hingegeben (dachte ich): Ein Sub3-Finish schien unerreichbar. Aber eine 3:15 sollte es meiner Vorstellung nach schon sein.

So ging ich dann auch die Vorbereitung an. Aber schon nach den ersten harten Intervalleinheiten merkte ich: Ich komm auf kein richtiges Tempo und wenn, bin ich superschnell platt. Gemäßigtes bzw. leicht erhöhtes Tempo ging, auch lange Läufe waren kein Problem (nur den allerersten kürzte ich ab, weil ich an dem Tag etwas erkältet war) - aber hohes Tempo ging gar nicht.

Zudem klebte mein VO²-Max-Wert während der gesamten Vorbereitung auf 52 fest - normalerweise steigt er nach der ersten Woche um ca. 0,8 pro Woche an, um dann nach zehn Wochen ca. sechs bis acht Punkte höher zu liegen als zu Beginn. Nicht so in dieser Vorbereitung. Ich tauschte sogar meinen Pulsgurt aus, weil ich dachte, es läge an dem Sensor. Pustekuchen! Das bereitete mir schon Kopfzerbrechen - auch wenn die entsprechende Messung meiner GARMIN-Laufuhr echten sportwissenschaftlichen Ansprüchen nicht standhält, gab sie mir doch ansonsten immer eine beruhigende Tendenz. Diesmal nicht. Es ging einfach nicht voran, ich spürte keinen Fortschritt. Irgendwie war der Wurm drin. Das war doch recht ungewöhnlich und mir aus früheren Vorbereitungen so nicht bekannt. Dabei war orthopädisch alles in Ordnung, ich fühlte mich von Rücken und den Muskeln her gut, auch die Ausdauer stimmte. Aber die Tempohärte wollte und wollte nicht kommen. Ich korrigierte also mein Ziel auf eine 3:30-3:40.

Was ich auch bei der Auswertung meiner Daten merkte, war, dass selbst an guten Tagen die Leistung nach spätestens einer Stunde abfiel. Das war ebenfalls ungewöhnlich und so kannte ich das bzw. mich aus nun immerhin 12 Marathonvorbereitungen auch nicht. Spätestens nach dem vierten langen Lauf stellte sich da normalerweise eine gewisse "Resilienz" gegen Müdigkeit ein - diesmal nicht.

Ich schrieb das alles der COVID-Infektion zu. Mein Pneumologe und auch die Ärzte in meiner Bekanntschaft widersprachen ausdrücklich nicht: Alle rieten mir: "Übertreib's nicht!"

So zog ich dann auch die Vorbereitung durch, gegen Ende hin wurde es auch etwas besser. Was mir auch auffiel: Während ich vor Tokio (2018), Hamburg (2017) und Chicago (2016) immer gegen Ende der Vorbereitung nahe oder sogar mal deutlich unter den 80 kg angekommen war, steckte ich diesmal bei 82 kg kurz vorm Abflug nach London fest.

Während der Vorbereitung habe ich lediglich vier kg Gewicht "abgeschält" - vor Tokyo 2018 waren's sechs kg (von 84 auf 78) gewesen, vor Chicago 2016 fünf kg (von 82 auf 77)! Aber darum machte ich mir nicht so viele Gedanken. Insgesamt fühlte ich mich ja ganz gut.

Der letzte lange Lauf (25 km) dann in 5:42/km mit einem Pulsschnitt von 125. Nix Dolles. Vor Chicago 2016 war ich fast eine halbe Minute schneller unterwegs gewesen (5:13/km) bei nur sechs Pulsschlägen mehr (131). Die Tokyo-Vorbereitung ist schwer vergleichbar, da musste ich den letzten langen mit Muskelproblemen nach neun Kilometern abbrechen - hatte aber bis dahin bei 5:19/km nur einen 120er-Pulsschnitt...

Die Erkenntnis war trotzdem, wohl leicht von "eternal optimism" geprägt, am Ende: Ein 5:00/km-Schnitt sollte drin sein. Das entspräche ziemlich genau einer 3:30:00. OK, noch 10 min. Sicherheitsreserve - also 3:30 - 3:40 als Ziel. So weit, so gut.


Reise in die Hauptstadt des Vereinigten Königreiches

 

Dann ging's nach London: Zum Abschluss der Major-Six-Serie wollte ich mich nicht lumpen lassen und meine ganze Familie dabeihaben!

Freitags ging's los - ab Luxemburg!
2011 bei meinem ersten Major-Six-Marathon (damals in Berlin noch knapp über drei Stunden) begleiteten mich - wie bei meinem allerersten Marathon 2009 in Frankfurt - meine Frau Doris und unsere drei Kinder.

So sollte es auch diesmal sein - nur dass mittlerweile meine beiden Ältesten schon länger feste Partner hatten, die ich natürlich ebenfalls dabei haben wollte.

2012 in Berlin bei meinem ersten Sub3-Marathon hatte ich nur Doris dabei, 2013 in New York war nur Annabelle, meine älteste Tochter, mitgekommen, 2014 in Boston war ich allein unterwegs, 2016 in Chicago bis auf meinen Sohn, der zu der Zeit im Westen der USA studierte, alle, 2017 in Hamburg (kein Major-Six-Marathon, aber ein wunderschöner!) nur meine Frau und meine jüngste Tochter Amelie, 2018 in Tokio wieder niemand. Bei der "Krönungsmesse" wollte ich aber auf niemanden verzichten!

Freitags morgens ging's mit der ganzen Truppe und zwei Autos Richtung Flughafen Luxemburg. Parken, Einchecken, Boarding klappte wie am Schnürchen. Hin flogen wir alle gemeinsam, aber die vier "Ältesten" (also Jan-Robin, Shannon, Annabelle und Lionel) würden schon Montags zurückfliegen - schließlich arbeiten bzw. studieren die vier ja. Doris, Amelie und ich wollten uns noch ein paar Tage zusätzlich in London gönnen.

Erstes gemeinsames Essen in London:
Honest Burgers Hammersmith
Nach der Landung in London fuhren wir erstmal mit der "Tube" (so lautet der im Volksmund gebräuchliche Spitzname für die "London Underground") in die Stadt und besorgten wir uns was Essbares, und zwar unweit des "Hammersmith Odeon" (eigentlich heisst das Theater heute Hammersmith Apollo bzw. Eventim Apollo, aber für mich bleibt es untrennbar verbunden mit dem ersten Auftritt von Bruce Springsteen in Europa am 18. Oktober 1975, dessen Aufzeichnung unter Fans des Boss als legendär gilt).

Dort fanden wir ein leckeres Burger-Restaurant, aßen uns gut satt und dann ging's weiter mit der U-Bahn in Richtung Hotel.

Das Tower Hotel, das wir über InterAir gebucht hatten, ließ wirklich keine Wünsche offen. Von unserem Zimmer aus konnten wir die Themse auf ihrem Weg in Richtung Nordsee sehen und bis nach Greenwich blicken, das Frühstücks-Buffett war vorzüglich und reichhaltig, die Anbindung an den ÖPNV über die Station Tower Hill angenehm und der Blick vom Vorplatz des Hotels auf die Tower Bridge beeindruckend.

Vor unserem Hotel - und der Tower Bridge!
Um das Hotel herum finden sich bei den St. Katharine Docks jede Menge Shops und Restaurants.

Das Jungvolk begab sich gleich in die Stadt und genoss den Tag ohne uns - Doris und ich fuhren mit der U-Bahn zur Marathon-Messe ins Exhibition Centre London, kurz ExCeL, ein im November 2000 eröffnetes Messegelände in den Royal Docks, einem Teil der Docklands im Osten von London.

 Ich verlor dabei blöderweise meine Oyster-Card. Aber alles halb so schlimm - eine kurze telefonische Meldung und der Service regelte das binnen weniger Stunden so, dass ich in der Folge einfach mit meiner Kreditkarte Oyster nutzte. Vorbildlich!

Auf der Marathon-Messe traf ich dann auch Irina Mikitenko, die zweimalige London- und Chicago- sowie Berlin-Marathon-Siegerin, die ich bereits in Tokyo kennenlernen durfte, wo sie - wie auch diesmal - im Team von InterAir die Marathoni-Reisegruppe betreute.

Auf der Marathon-Messe
Irina ist extrem sympathisch, immer gut drauf und kann einem jede Menge wertvolle Tipps geben. 

Allein deshalb lohnt es sich, seine Marathonreise bei InterAir zu buchen!

Abends gingen wir mit allen in der Nähe unseres Hotels italienisch essen und danach noch in ein typisches Londoner Pub, wo wir ein wenig Dart spielten und uns dabei köstlich amüsierten.

Das Wetter hielt einigermaßen, erst sehr spät Abends setzte Regen ein...

Der Tag vor dem Marathon

Samstags morgens weckte uns die Sonne, die direkt vor unserem Fenster aufging. Ein herrlicher Morgen!




Mit der InterAir-Laufgruppe startete ich den Tag zunächst einmal mit einem lockeren Lauf, erst mal über die Tower Bridge, dann ca. drei km die Themse hinauf, danach über die futuristische Fußgängerbrücke Millenium Bridge und zum Schluss zurück zum Hotel, vorbei am Tower of London. Danach wurde ausgiebig gefrühstückt!

Doris auf der Millenium Bridge
Eigentlich soll man als Marathoni ja, abgesehen von einem lockeren Lauf, am Tag vor dem Marathon die Füße hochlegen. Das ist die Theorie - in der Praxis ist man natürlich von einer Stadt dieser Qualität so eingenommen und fasziniert, dass man sie ausgiebig zu Fuß erkundet. So taten auch wir das, natürlich unter massiver Nutzung der Oyster-Card und des hervorragenden ÖPNV in der Stadt. 

Trotzdem kamen so auch jede Menge Kilometer zu Fuß zusammen, zumal wegen der U-Bahn-Nutzung viel treppauf/treppab, die ich mir besser gespart hätte. Aber hinterher ist man, wie man weiß, immer schlauer. 

Zumindest am Nachmittag gönnte ich mir dann doch ein Nickerchen, aber abends waren wir natürlich wieder mit der ganzen Truppe unterwegs, aßen gut und waren bester Laune. Ich genoss die gemeinsame Zeit mit meiner Frau Doris, unseren drei Kindern und den Partnern unserer beiden Älteren wirklich sehr. Ich konnte mich dabei noch gut an meinen allerersten Marathon in Frankfurt 2009 erinnern, vor mittlerweile 13 Jahren, da war Amelie mal gerade fünf Jahre alt gewesen. 

Gegen 23:00 Uhr ging's dann ins Bett. Ich glaube, ich schlief schon, als mein Kopf auf dem Kissen aufschlug...


Race day!

 

Um 05:30 Uhr wurde ich ganz von selbst wach, auch ohne Wecker - das Adrenalin halt. Während die anderen noch schliefen, zog ich mich vorsichtig und leise an, über die Laufklamotten eine alte Jeans und einen alten Pullover, beides sollte später in der Altkleidersammlung landen. Zum Glück hatten sich die Wettervorhersagen, die einen regnerischen Tag angekündigt hatten, nicht bestätigt.

06:00 Uhr: Guter Betrieb im Frühstückssaal
Um 6:00 Uhr war ich im Frühstückssaal und stillte meinen ziemlich großen Appetit. Über die Jahre habe ich herausgefunden, dass es für mich am besten ist, wenn ich mich so richtig satt esse. Nicht nur im Wettkampf, auch im Training bin ich kein Typ für Nüchternläufe. Das hat nicht nur mit meinem Typ-1-Diabetes zu tun - aber natürlich auch. Bei mir müssen die Kohlehydrat-Speicher halt voll sein. 

Mit meiner Familie hatte ich verabredet, dass ich mich alleine auf den Weg zum Start machen würde und sie mir später an der Tower Bridge, kurz vor der Halbmarathonmarke, zum ersten Mal zujubeln würden. danach wollten sie mich unter Zuhilfenahme der U-Bahn noch an mindestens zwei Stellen unterstützen und mich dann im Ziel alle gemeinsam in Empfang nehmen - das klappt auch prima, soviel vorweg. 

Nun kamen auch so langsam die Gedanken, die man sich halt unmittelbar vor so einem Marathon macht. Seit einigen Wochen plagte mich z.B. ein eingewachsener Zehennagel am rechten großen Zeh, und ich war schon ein wenig besorgt, dass die Schmerzen mich beim Lauf behindern würden. Aber das konnte ich ganz gut verdrängen...

Gegen 7:30 Uhr ging ich mit einer großen Gruppe anderer Läufer los, überquerte die Tower Bridge und stieg an der Station "London Bridge" in den Zug nach Greenwich ein. Dort sollte der Start erfolgen.

Einhörner um 07:30 Uhr: Only in London!
Der Kurs in London ist im wesentlichen seit 1981, als der Marathon erstmals stattfand, unverändert. Im Greenwich Park geht es los, dann läuft man erst mal ein Stück weit in Richtung Osten, ehe es in Woolwich nach knapp fünf km scharf links und runter Richtung Themse geht.

Dann noch mal links, durch die Woolwich Road nach Westen, ein bisschen hügelig, ehe man nach ungefähr zehn km erstmals richtig an die Themse kommt und dabei um die "Cutty Sark" herumläuft, ein englischer Tee- und Wollklipper. Sie wurde im Jahre 1869 fertiggestellt und war eines der schnellsten Segelschiffe ihrer Zeit sowie einer der letzten Klipper, der für den Seehandel gebaut wurde.

Das Schiff wurde 1954 in einem speziellen Trockendock in Greenwich als Museumsschiff aufgelegt. Sie brannte im Mai 2007 fast vollständig aus und wurde nach einer Restaurierung am 25. April 2012 wiedereröffnet. Das Schiff taucht plötzlich im Blickfeld auf und wirkt richtig majestätisch, so dass man, während man herumläuft, es die ganze Zeit über betrachten muss - das erste richtige Highlight des Laufs!

Aber auch Minions traf man!

Danach verlässt man Greenwich und läuft nordwestlich durch Deptford und ein wenig zickzack durch Roterhithe, ehe man in Bermondsey entlang der Jamaica Road bei km 19,5 die Tower Bridge überquert, kurz vor der Halbmarathonmarke, und damit Süd-London verlässt und für den Rest des Rennens den nördlich der Themse gelegenen Teil der Stadt durchläuft. Es geht erst wieder nach Osten über den "Highway", ehe man ab km 24 wieder kurviger und auch ein wenig mehr auf und ab durch die Quays von London wuselt, vorbei am Canary Wharf (km 30), wo drei der höchsten Gebäude des Vereinigten Königreichs, One Canada Square, HSBC Tower und Citigroup Centre, stehen.

 Nun geht's über die "West India Dock Road" wieder westwärts, ehe man wieder auf den "Highway" kommt, nur dass man ihn nun gen Westen läuft - wieder bis zum Tower Hill, dann weiter westwärts entlang der Themse, der St. Paul's Cathedral und anderen imposanten Londoner Gebäuden bis hin zu Big Ben, vorher dreht die Laufrichtung gen Süden. Dann am Palace of Westminster sind es noch knapp zwei km bis zum Ziel, der Kurs dreht wieder westwärts entlang des St. James's Park, und wenn man den Buckingham Palace erreicht, hat man es fast geschafft - bis zum Zielstrich auf "The Mall" sind es noch nur wenige Meter!

Die längste Schlange meines Lebens!
Aber zurück zum Start nach Greenwich. Raus aus der Bahn, und dann beginnt ein längerer Fußmarsch durch den Greenwich Park, immer bergauf (das war gut, denn so erlief man sich quasi beim Aufwärmen die Höhenmeter, die einem die ersten Kilometer des Marathons etwas leichter machen...) bis zum Start auf dem Charlton Way. Die vorhergesagten Regenschauer stellten sich zum Glück nicht ein - es war zwar bewölkt, aber trocken.

Ich unterhielt mich mit einigen Sportkameradinnen und -kameraden, sah schon viele Läuferinnen und Läufer in lustigen Verkleidungen, und die Vorfreude wuchs. In der Nähe des Starts angekommen und mit jeder Menge "time to spare" stellte ich mich erstmal in die längste Toilettenschlange meines bisherigen Lebens (40 Minuten später war ich dann "dran"), ehe ich den Rest des mitgebrachten Proviants verdrückte, die alten Kleider auszog und entsorgte und mich Richtung Start begab.

Langsam trippelte ich zur Startlinie, begann schon 100m vorher zu laufen und lief mit "Renngeschwindigkeit" um 09:48 Uhr über die Startlinie. Das Adrenalin schoss nun vollends in die Muskeln, und ich fühlte mich großartig. Noch...


km 1-5: Gen Osten durch Woolwich

 

Eigentlich hatte ich mir ja - wie bei allen Marathons bisher - vorgenommen, mich genau an den Plan zu halten. Hätte bedeutet, mit einem Schnitt von genau 5:00/km loszulaufen und mich gegebenenfalls selbst zu bremsen, falls die Beine unbedingt schneller wollten. Aber das gelang mir nicht im geringsten. 

Die ersten drei bis vier Kilometer lief ich konstant in 4:45/km, obwohl ich ständig versuchte, langsamer zu laufen. Ich begann schon zu glauben, ich hätte dann doch viel besser trainiert als ich dachte, und mein Körper würde mir - im positiven Sinne - einen Streich spielen. Da kam richtig Euphorie auf.

Auch die Pulswerte waren zu meiner vollen Zufriedenheit: Unter 140, es fühlte sich alles hervorragend an. Die Stimmung unter der Laufgemeinde war gigantisch, und auch die Unterstützung durch die Zuschauer unglaublich.

Am Artillery Placa nach 4,5 km kam dann mal die erste spürbare Steigung, aber direkt danach ging's links um die Kurve und bergab in Richtung Themse.

Mir war es nun nach fast fünf Kilometern gelungen, eine etwas langsamere Pace zu finden: 4:55/km. Aber langsamer ging wirklich nicht!


km 6-10: Erster Sturz in New Charlton

 

Auf der Woolwich Road stürtze ich zum ersten Mal...
Dann passierte es: Auf der Woolwich Road in der Nähe des Maryon Parks lief ein Läufer (er hieß offenbar Steve) links von mir. Plötzlich rief ein Zuschauer von rechts hinter der Bande: "Steve! Hey! Steve!" - und Steve hört aufs Wort, lief nach rechts und rannte mich über den Haufen. Alles, was ich noch weiß, ist, dass er ein knallbuntes Trikot trug und ich einen Sturz auf die Nase gerade noch so vermeiden konnte. Ich rappelte mich auf, Knie ein bisschen "gedutzt", aber ansonsten ok und kam wieder ins Laufen.

Steve-o war offenbar kein erfahrener Marathoni, auch das ist (leider) eine Besonderheit und eben auch die Kehrseite des ansonsten bunten und stimmungsvollen London-Marathons: Viele melden, auch aus Charity-Motivation heraus oder wegen einer verlorenen Pub-Wette (oder beidem) und starten, weil sie erstens Briten und zweitens ein bisschen crazy sind.

Da fehlt einfach die Erfahrung, wie man sich bei einem solchen Rennen verhält, zum Beispiel das abrupte Richtungswechsel mitten im Pulk gar nicht gehen.

Ein bisschen regte ich mich schon auf, und mein Puls ging auch hoch auf Werte um 145, was ich aber der Gereiztheit ob des Zwischenfalls zuschrieb.

Wahrscheinlich mein erster Fehler: Ich war schlicht bis dahin zu schnell unterwegs gewesen und hatte die ersten offensichtlichen Warnzeichen übersehen. Ab nun wurde ich aber langsamer und pendelte mich auf Geschwindigkeiten um 5:00/km ein.

Ich erwartete und hoffte, dass sich der Puls dann wieder beruhigen würde. Tat er aber nicht. 



km 11-15: Cutty Sark, zweiter Sturz und erste echte Zweifel


 

Egal: Nun kam erstmal das erste Highlight, wie oben bereits erwähnt. Wir umliefen die "Cutty Sark", die Stimmung kochte, auch abseits der Strecke, ohrenbetäubender Lärm, alle paar hundert Meter eine Band. Ich versuchte mich neu zu justieren.


Bei km 13 und einer Wasserausgabestelle (in der Evelyn Street in Höhe des Deptford Parks) dann das zweite Malheur: Ich hatte mir gerade eine Wasserflasche gegriffen (sehr praktisch übrigens, dass sie in London anstatt Pappbechern richtige kleine Trinkflaschen ausgeben - ich weiß, die Umweltbilanz ist nicht so toll, aber so kann man wenigstens ordentlich trinken), als ich hinter mir eine Schatten wahrnahm, und - zack! - war mir einer in die Hacken gelaufen und ich lag schon wieder auf der Nase. 

Nun war ich richtig angesäuert und fühlte mich auch schlecht, war total aus dem Rhythmus und wurde in der Folge auch deutlich langsamer - auf den nächsten beiden Kilometern lief ich jeweils eine 5:09. Da ahnte ich schon, dass das ein Tag voller Leiden werden würde...

Die Strecke war hier wenig spektakulär - da baute einen auch nichts auf. Es ging einfach in west-nordwestlicher Richtung erst aus Greenwich raus, dann nach Rotherhithe, dort war's sehr kurvig, was auch nicht unbedingt half.


Ich versuchte mich mit dem Gedanken zu trösten, dass es nicht mehr lang sein wird bis zur Tower Bridge. Half nur nicht besonders viel. Außerdem begann ich Gespenster zu sehen und hatte Angst vor Sturz Nummer drei. Auch das trug nicht gerade zu einem guten Laufgefühl bei.


km 16-20: Der Ballon verliert Luft - aber dann kommt das Highlight!

 


Jetzt wurde ich dauerhaft langsamer, ohne dass ich mich besser fühlte - und mir schwante da schon (mittlerweile weiß ich es), dass das nicht nur in den beiden Stürzen liegen konnte.

Ich war nun fast eineinhalb Stunden unterwegs und fühlte mich wie in Berlin 2011 bei km 36 - nur viel langsamer. Mir war da schon klar, dass das heute nichts werden würde mit einer respektablen Zeit und ich froh sein konnte, wenn ich ankomme. Jetzt begann ich auch darüber nachzudenken und einzusehen, dass die ganze Entwicklung während der zehn Trainingswochen eigentlich eine Warnung hätte sein müssen.

Offenbar steckte mir die Corona-Infektion vom Mai doch mehr in den Knochen, als ich hatte wahrhaben wollen. Mein Knie schmerzte von dem ersten Sturz, meine Hände von dem zweiten. Aber noch konnte ich düstere Gedanken gut verdrängen - wir waren nun kurz vor der Tower Bridge, ein absolutes Highlight bei diesem Marathon. Darauf hatte ich mich wahnsinnig gefreut, und das Erlebnis war entsprechend.

Die Jamaica Road wird hier zur Tooley Street, es geht scharf rechts um die Kurve - und dann sieht man sie, die wohl berühmteste aller Brücken Londons, direkt bei unserem Hotel, wo auch meine Familie auf mich warten würde.

Ich zückte mein Handy und machte über fast die ganze Brücke ein Actionvideo. So gut wie hier sollte ich mich während dieses Marathons nie mehr fühlen! Die 20-km-Markierung ist mitten auf der Brücke, kurz, bevor man den höchsten Punkt überwindet.
 

 
 
 

km 21-25: Nach der Euphorie folgt die schnelle Ernüchterung


 

Auf dem Ablauf von der Brücke sah ich dann auch meine Familie, die mir begeistert zujubelte, und ein absolutes Glücksgefühl durchschoss mich, obwohl ich da schon unrund lief.


Der Puls schoss mal kurz über 150, und die 5:12 auf km 21 sollten für lange Zeit mein schnellster Kilometer sein. Dann war das Highlight hinter uns - und in mir wurde es schnell dunkel. Ich fühlte mich elend, stürzte regelrecht ab. Schneller als 5:25/km konnte ich selbst unter Aufbietung all meiner Kräfte nicht mehr laufen - und ich war gerade mal an der Halbmarathonmarke!

Die 1:46h, die ich bisher hinter mich gebracht hatte, hatten mich gefühlt all meine Kraft gekostet. Und das ganze jetzt noch einmal? Das war in diesen Momenten für mich absolut unvorstellbar.

Ich dachte sogar kurzzeitig ans Aussteigen. Den Gedanken verwarf ich glücklicherweise aber schnell wieder.

Neuer Matchplan - irgendwie durchkommen, nach Möglichkeit ohne zu gehen! So quälte ich mich Kilometer um Kilometer voran. Während ich auf der ersten Halbzeit noch viele Läufer überholt hatte -trotz schwindenden Tempos - überholten mich jetzt mindestens genauso viele, wie ich überholte. Und das Verhältnis änderte sich mehr und mehr zu meinen Ungunsten. Nicht sehr motivierend...

Bei km 23 verlässt man dann den "Highway" - nun kommen einem erstmal keine Läufer mehr entgegen, was mir in dem Moment mental ein wenig half.

Auf dem Weg durch die Narrow Street, vorbei an der Station Westferry und dann nach Süden die Westferry Road runter fing ich an, rückwärts zu zählen: "Nur noch 19, nur noch 18, nur noch 17 km!". Half auch nicht wirklich...
 

km 26-30: Canary Wharf - und noch lief ich...


 

Mittlerweile war ich bei einem Schnitt von 5:45/km angekommen. Puls nahe 150, aber überhaupt keine Kraft übrig.

Bei km 30 (Canary Wharf)
Die Beine taten weh, ich war hundemüde, und es macht überhaupt keinen Spaß mehr. Morgens war es noch kühl gewesen, weshalb ich unter meinem Achselshirt, das mich durch alle sechs Major-Six-Marathons begleitete, noch ein Finishershirt vom Neunkircher Triathlon 2022 trug. Selbst das, mittlerweile völlig durchgeschwitzt, war mir zu schwer, weshalb ich es während des Laufens auszog und in einer Verpflegungszone in eine der bereit stehenden Mülltonnen warf.

Ich quälte mich wirklich von Kilometer zu Kilometer, motiviert allein dadurch, dass ich wusste, dass meine Familie bei Kilometer 30 an der Station Canary Wharf auf mich warten und mich mit positiver Energie überschütten würde. Dort angekommen (so ab km 29) suchte ich die Menge verzweifelt nach ihnen ab und hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ich sie endlich sah.

Ich musste meiner Frau Doris nur ins Gesicht schauen, dort zeigte sich die Sorge, weil ich offenbar ziemlich erbärmlich aussah. Aber trotzdem gab mir die Begegnung nochmal Kraft für die nächsten Kilometer. Zumindest bis zum nächsten Tiefschlag...


km 31-35: Premiere beim sechsten Major-Six-Marathon: I walked - at least partly...

 


Mittlerweile war ich bei km 31. Nur noch elf! Aber der Gedanke baute mich nicht auf, im Gegenteil - mir kam es vor, als sei das Ziel, auf das ich zulief, in einem anderen Land und unendlich weit weg. Die angestrebte Zielzeit von 3:30h oder besser war da schon lange unrealistisch, ich wollte jetzt einfach nur noch durchlaufen, ohne gehen zu müssen.

Da passierte es dann aber doch, in der West India Dock Road, ca. km 33: Wieder lief ein "Kreuzer" in mich rein, nicht mal besonders heftig, aber ich sank einfach zu Boden, völlig entkräftet, neun km vor dem Ziel.

Als ich mich aufrappelte, stand mein Entschluss fest: Ich würde finishen, aber nicht laufend - die Akkus waren einfach zu leer. Für die nächsten 1,4 km ging ich. Zwar einigermaßen flotten Schrittes, aber das war wirklich das erste Mal, dass ich einen Marathon nicht durchlief. Und das ausgerechnet in meinem letzten der Major-Six-Serie!

Ich war einerseits tief beschämt, andererseits aber auch im Frieden mit mir selbst. Manchmal ist man halt einfach ein Opfer der Umstände. Freundliche und kümmernde Zuschauer boten mir Verpflegung an, die ich auch dankend annahm. Ich aß eine halbe Banane, trank leckeren Obstsaft, ließ mich aufmuntern und versuchte zu lächeln.

Das gelang mir auch einigermaßen, und am Ende der Commercial Road, kurz vor der Station Limehouse und einer Linkskurve, hatte ich mich soweit erholt, dass ich wieder in einen langsamen Laufschritt verfallen konnte.
 

Das Tempo war so um die 6:00/km, aber das war mir mittlerweile egal. Wenigstens hier, an einer der tollsten Stellen des Marathons, der "Rainbow Row", wo Inklusion und die LGBTQ+-Community gefeiert werden und sich selbst feiern, wollte ich nochmal richtig Spaß haben - und den hatte ich auch. An keiner anderen Stelle des Kurses habe ich so eine positive Energie gespürt! Das half mir wirklich zumindest eine Zeitlang durch das Tal der Tränen und ließ mich die widrigen Umstände vergessen.

Und dann ging es auch schon wieder rechts zurück auf den "Highway", kurz vor km 35. Plötzlich kamen einem wieder Massen an Läufern entgegen, die noch ziemlich viel vor sich hatten und teilweise noch schlimmer aussahen als ich ca. eine Stunde vorher...
 


km 36-40: Entspannt, teilweise gehend, aber zufrieden dem Ziel entgegen


 

Ich hatte mir ein neues Ziel gesetzt: Es waren noch sieben Kilometer, und ich wollte wenigstens unter vier Stunden finishen. In Anbetracht meiner absolut leeren Akkus rechnete ich mir aus, dass ich mir noch zwei bis drei kurze Gehpausen würde leisten können, wenn ich mit dem jetzigen Tempo ansonsten laufen würde.

Zwei Minuten Polster wollte ich mir aber schon noch lassen! Auf dem "Highway" nahm ich mir dann die erste davon und ging ca. 150m, ehe ich wieder in den Laufschritt mit ca. 6:00/km verfiel. Nun waren wir schon fast wieder am Tower Hill, und ab dort würde es, immer entlang der Themse und tendenziell auch etwas bergab, nicht nur leichter werden, sondern mich  auch jede Menge neuer Eindrücke erwarten. 

Emotional war ich in einem wahren Wirbelsturm gefangen.

Auf der einen Seite: Tolles Wetter mittlerweile, die Sonne schien über London, Wahnsinnsstimmung an und neben der Strecke, und ich hatte von 253,2 km, die man zurücklegen muss, um alle Major-Six-Marathons zu finishen, nur noch wenige zu absolvieren.

Auf der anderen Seite Enttäuschung, weil ich nicht ansatzweise in dem Bereich vorlaufen konnte, der für mich eigentlich in dieser Serie zur Norm geworden war: Viermal unter und einmal knapp über 3 Stunden.

Dazu Schmerzen am ganzen Körper (mittlerweile tat mir auch der Rücken weh) und auch noch ein wenig die Angst, am Ende sogar nicht einmal die vier Stunden zu unterbieten. Das vermieste mir schon ein wenig den Genuss - aber je näher ich dem Ziel dann kam,  umso mehr brach sich die Freude und der Stolz Bahn.

In der Lower Thames Street nahm ich mir dann die zweite, in der Upper Thames Street etwas südlich der St. Paul's Cathedral die letzte noch kurze Gehpause (jeweils 3-4 min), dabei trank ich jedesmal auch etwas und sammelte meine Kräfte. 

Meine PowerGel Shots, die ich mir massenweise in die Taschen meiner Laufhose gesteckt hatte, hatte ich ab km 14 kaum angerührt, sie waren mittlerweile zu einem weichen Klumpen zusammengeschmolzen. Bis dahin hatte ich regelmäßig jeden Kilometer eine gefuttert, aber das irgendwann im Selbstmitleid vergessen - vielleicht auch ein Grund für meinen Einbruch, aber das alleine kann's auch nicht gewesen sein.

Ich vermute einfach mal, es kam einiges zusammen. Mit Sicherheit hat die COVID-Infektion im Mai eine große Rolle gespielt - wahrscheinlich sogar die größte. Aber auch die Zeit - seit meinem letzten Marathon, den ich in Richtung Sub-3 gelaufen bin, sind mittlerweile schließlich auch vier Jahre vergangen. Schließlich ist es eine sportwissenschaftliche Banalität, dass man, wenn man mit 40 Jahren mit dem Marathonlaufen anfängt und mittlerweile über 50 ist, in der Regel nicht von Jahr zu Jahr besser wird. Eher das Gegenteil.

Bei km 39 konnte ich das Ziel schon riechen...
Zudem war die viele Herumlauferei in London Freitags und Samstags sicher auch eher ermüdend als förderlich. Das hab ich wahrscheinlich unterschätzt. Samstags bin ich - ohne den lockeren Lauf am Morgen mit der Gruppe - mit Sicherheit 15 km durch London spaziert, mit - wie bereits gesagt - vielen Treppen (z.B. beim Betreten und Verlassen der U-Bahn). Aber das bereue ich nicht - es war richtig schön mit der ganzen Familie und ein tolles Erlebnis.

Anyway - das ist jetzt auch alles verschüttete Milch. Es ist nun mal, wie es ist. Und ich war mittlerweile bei km 39 angekommen, am Blackfriars Millenium Pier in der Nähe der gleichnamigen U-Bahn-Station, wo ein Großteil der Schiffe, die die Themse befahren, an- und ablegt. Von hier aus kann man schon gut das Riesenrad "London Eye" sehen, das derzeit noch höchste (aber vielleicht bald nach dem "Whey Aye" in Newcastle zweithöchste) Riesenrad Europas, das gegenüber von Westminster auf der Südseite der Themse über London blickt. Irgendwo hier standen dann auch Jan-Robin, Shannon und Amelie, feuerten mich an und machten sogar ein Video, bevor sie sich weiter Richtung Ziel aufmachten, wo meine Frau und Annabelle mit Lionel schon warteten. Ich bekam das leider nicht mit, fühlte aber die Vibes - wirklich!

Vor mir lief Giovanni aus Ecuador, der bereits vier Major-Six-Marathons geschafft hat und nach London nach Boston vor der Brust hat. Stand alles auf seinem T-Shirt. Über einem Spruch, der mich noch ein klein bisschen motivierte: "Wenn deine Beine müde sind, renne mit deinem Herzen!"

So langsam wurde mir freudig bewusst, dass ich es nicht nur bis ins Ziel schaffen, sondern auch durchlaufen und dann doch klar unter vier Stunden finishen können würde. Jetzt traten auch die Schmerzen ein wenig in den Hintergrund und das Adrenalin half.
 
Big Ben behind me! Keine zwei km mehr!
Vorbei an den Victoria Embankment Gardens und unter der Waterloo- Bridge und der Hungerford Bridge hindurch ging's nun in einer langen Linkskurve Richtung Westminster. Die Stimmung stieg noch einmal - rechts und links der Straße standen die Leute in Fünferreihen und schrien, was die Kehlen hergaben. Das gab nochmal so richtig Kraft.

Whitehall Garden - km 40. Westminster und die berühmte Rechtskurve - km 41. Hier zückte ich nochmal die Kamera - ein unglaublicher Moment. Nun liefen wir mitten durch das Machtzentrum des Vereinigten Königreichs über die Great George Street, und nur 200m später unter Baumkronen hindurch entlang des St. James's Park.

Diese 600 Meter waren für mich die schönsten des ganzen Marathons - das Licht war geradezu magisch, und ich konnte ein einigermaßen akzeptables Tempo laufen (ca. 5:30/km).


 

 

km 41-42,195: The home stretch - finally!

 


Hinzu kommt: Man weiß, das Ziel ist nicht mehr weit, aber man sieht es noch nicht - ein letztes Mal also das volle Laufgefühl eines Marathons, und für mich zudem der letzte der Major-Six-Serie. Eine zehn Jahre dauernde Reise würde also nun bald zu Ende gehen. Mir schossen tausende Gedanken durch den Kopf, ein neuronales Feuerwerk. Vor meinem geistigen Auge liefen alle Zielannäherungen in Berlin, New York, Boston, Chicago und Tokyo nacheinander ab. Mein Sohn Jan-Robin "verfolgte" mich dabei parallel auf dem Bürgersteig laufend mit dem iPhone und filmte Teile meines letzten Kilometers.

Noch 350m bis ins Ziel...
Und dann kam auch schon die Rechtskurve auf die Spur Road und kurz danach auf die Buckingham Palace Road, links sah ich kurz den königlichen Palast, und danach kam langsam das Ziel auf der "Mall", der Prachtstraße, die vom Trafalgar Square bis zum Buckingham Palace führt, ins Sicht. Ein letztes Mal das iPhone aus der Tasche ziehen, um den Moment in einem kurzen Video festzuhalten - danach genoss ich einfach nur noch die letzten Meter meines - und das wurde mir in dem Moment so richtig klar - letzten Marathons für die nächsten Jahre, wenn nicht gar für immer. Dazu später aber mehr.

Als ich durchs Ziel lief, war ich zunächst einmal - erleichtert. Der zeitweise drohende Albtraum, dieses Rennen nicht beenden zu können, war zum Glück ausgeträumt. Ich schleppte mich langsam voran, vorbei an den Ausgabestellen für die Laufmedaille, die ich freudig empfing, um dann - tada! - nach rechts abzubiegen, wo mir an einer speziellen Ausgabestelle die große Major-Six-Medaille, auf die ich so lange gewartet hatte, überreicht wurde.

Als ich 2016 in Chicago meinen vierten Marathon der Serie - und meinen letzten unter drei Stunden - beendet hatte, war der Plan noch gewesen, spätestens 2018 in London (2017 wollte ich damals noch Tokyo laufen, bis ich einsehen musste, dass ich viel zu spät dran war mit der Anmeldung) die Serie zu komplettieren. Aber das Leben hält ja immer neue Überraschungen für einen bereit, und so wurde es eben 2022...

Da ist das Ding!
Ich konnte doch noch lächeln...

Danach gab es eine Wärmedecke, reichlich Essen und Trinken, und es ging im Trippelschritt Richtung Ausgang. Als ich dann meine Familie sah, war ich einfach nur noch froh und glücklich. Nach vielen und herzlichen Gratulationen (auch von Lauffreunden aus der Inter-Air-Familie) machten wir uns zu Fuß auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station (in dem Fall Embankment, das waren noch gut 1,5 km, mit viiielen Treppen...). Erst so langsam merkte ich jetzt auch den Muskelkater, und mittlerweile war ich auch froh um die Alu-Wärmehülle, weil dann doch so langsam die Wettkampfhitze aus dem Körper wich.

Zurück im Hotel wurde dann erst mal ausgiebig geduscht und ich machte ein ca. einstündiges Schläfchen. Danach fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Mein eingewachsener Zehennagel, den ich auf den 42,2 km so richtig weichgekocht und damit ruhiggestellt hatte, meldete sich nun auch so langsam wieder. Aber das war mir jetzt egal! Höhepunkt am Abend war natürlich die Inter-Air-interne Feier im Hotel, aber ansonsten zog es uns alle früh in die jeweiligen Kemenaten...

 

Zahlen, Daten, Fakten

 

Anhand der Daten der Garmin Auswertung kann man den von mir oben in Worten geschilderten Verlauf des Marathons ziemlich gut nachlesen. Die Probleme begannen eigentlich schon kurz nach den ersten 10 km, aber die Stürze allein erklären nicht den im Vergleich zu meinen früheren Major-Six-Marathons ungewöhnlich frühen Einbruch.

Das Problem war nicht einmal der Puls, der sich immer in absolut normalen bzw. unkritischen  Bereichen bewegte. Im Vergleich zu den anderen Marathons war er sogar eher niedrig: Bei den bisherigen fünf Major-Six-Marathons bewegte er sich immer zwischen 153 und 157, in Hamburg 2017, wo ich in der zweiten Hälfte rausgenommen hatte, um bei meinem Freund Christoph zu bleiben (und am Ende trotzdem eine 3:15:04 gelaufen war) war er 144. Diesmal nur 142! Was mich in London so gequält hat, war eher die generelle Kraftlosigkeit und die frühe totale Müdigkeit. Sowas hatte ich bisher nie erlebt.

In der Rangliste bedeutete das Platz 11905 von über 40.000 Starterinnen und Startern, die ankamen, bei den Männern Platz 9003 von 23725 und in der Altersklasse (50-54) Platz 1035 von 2947.

Die Bilanz von #london2022 (wie gesagt, es ist nicht nur der Marathon, sondern die gesamte Vorbereitung, die zählt): 48 Einheiten incl. Wettkampf, knapp 62 Stunden, fast 673km (das entspricht einem Lauf von Neunkirchen bis nach Bremerhaven!), mehr als 488.000 Pulsschläge und beinah 50.000 kcal. Gegenüber #tokyo2018 waren das dann doch 12 Stunden und 177 km weniger - allerdings hatte ich in den Wochen davor auch recht gut trainiert, war z.B. in Minnesota in zwei Wochen 150 km gelaufen.

Die Unterstützung meiner Familie war sehr wichtig.
Nicht nur in London - bei allen Marathons!


Also, alles richtig gemacht - und wenn nicht, dann eben nicht. Aber Spaß hatte ich auf jeden Fall. Vielen Dank an meine tolle Familie, mit denen ich eine wunderschöne Zeit in London verbringen konnte. Das war mit Sicherheit eine der schönsten Wochen meines Lebens!

 

And now what?

 

Zur Einordnung:
Mein Schnitt ist eine 3:09:57

London war mein elfter Marathon insgesamt (der zehnte offizielle Wettkampf plus ein vermessener, aber inoffizieller Lauf). Meine Durchschnittszeit dieser elf Marathons liegt bei 03:13:16, die der Major-Six-Serie sogar knapp unter 3:10h (3:09:57). Darauf bin ich ziemlich stolz - für jemanden, der erst mit knapp 40 zum Marathonlaufen gefunden hat, ist das glaube ich ganz in Ordnung. Natürlich reizt es mich, noch mal richtig anzugreifen. Ich würde total gerne sowohl in Tokyo als auch in London, die beiden aus der Reihe der Major Six, die ich nicht unter drei Stunden lief, noch mal versuchen, am Ende eine "2" vorm Resultat zu haben.

Aber ich bin da Realist. Mit dem Job, den ich habe, ist es fast unmöglich, ein entsprechendes Trainingsprogramm durchzuziehen, und ich werde ja auch nicht jünger. Mit mittlerweile 53 erinnere ich mich gerne an einen Spruch, den mir mein langjähriger guter Freund und politischer Mentor Dr. Peter Winter, ehemaliger Landrat von Saarlouis, bei einem gemeinsamen Lauf im Jahr 2000 (da war er 60) gesagt hatte: "Wenn ich in einem Jahr noch so schnell laufe wie jetzt, ist das schon ein Erfolg!". Und ich merke mittlerweile, wie recht er damit hat. 

Einen Marathon zu laufen ist ein erhebendes Gefühl. Vor allem ist der Weg das Ziel: Sich strukturiert vorzubereiten, um dann auf den 42,2 km den Lohn zu ernten, ist ja die eigentlich wichtige Übung. Irgendwann mach ich das vielleicht auch mal wieder. Aber ich werde keine Zeiten mehr jagen. Ich nehme mir auch keinen konkreten Lauf vor. Irgendwann vielleicht mal Paris oder Wien, oder perspektivisch auch mal Sydney, wo eine gute Freundin von mir wohnt. Dann aber als Genusslauf ohne Zeitvorgabe. Vielleicht mal eines meiner Kinder bei einem Halbmarathon oder Marathon zu begleiten, wenn die darauf Lust haben, wäre auch noch zu etwas, wofür ich mich noch mal aufraffen könnte, ein Trainingsprogramm durchzuziehen. Aber nach mittlerweile weit über 60 Wettkämpfen ist mein diesbezüglicher Hunger gestillt.

Laufen als Ausgleich, um fit zu bleiben, werde ich weiterhin regelmäßig. Aber Radfahren (womit ich eigentlich angefangen habe - gelaufen bin ich ab Ende 2008 anfangs nur, um irgendwie über den Winter zu kommen) ist nun mal meine eigentliche und große Leidenschaft, und der werde ich mich künftig verstärkt widmen.

Da das auf wohl lange Zeit mein letzter Laufblog sein wird, erlaube ich mir zwei Schlussbemerkungen:


Leute, bewegt Euch!

 

Wenn man laufen kann, sollte man es tun. Die Geschwindigkeit ist egal - jeder hat bzw. findet seine eigene. Wichtig ist, dass man's macht. Der Mensch ist ein Bewegungstier. Der menschliche Körper ist für ein Leben mit Bewegung programmiert. Ohne Bewegung können sich Skelett, die Muskulatur und die inneren Organe nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Langsam, aber sicher, degeneriert der Körper. Menschen werden anfälliger für Krankheiten, erholen sich schlechter von Belastungen. Heute bewegen wir Menschen uns um zwei Drittel weniger als vor 100 Jahren. Im Stuhl sitzend verkümmern große Teile der 500 menschlichen Muskeln. Tut was dagegen!

Seid nett zueinander!

 

Die 14 Jahre, in denen ich jetzt mehr oder weniger wettkampforientiert gelaufen bin, haben mein Leben unheimlich bereichert ich habe so viel nette neue Menschen kennen gelernt. Im Saarland, in Deutschland, in der ganzen Welt. Es sind Freundschaften entstanden, die ich mehr oder weniger intensiv pflege, aber die mir alle unheimlich wichtig sind. Essenziell dabei ist, dass man sich über das gemeinsame Hobby verbunden jederzeit mit Respekt und Freundlichkeit begegnet. Das bereichert einen in einer Weise, wie ich mir das nicht hätte vorstellen können. Ich kenne viele Menschen, mit denen ich gerne laufe, die zum Beispiel politisch völlig anders denken als ich. Was normalerweise ein Hindernis wäre, miteinander ins Gespräch zu kommen, ist beim gemeinsamen Laufen eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen. Das erweitert den Horizont!

Danke fürs Lesen und - keep on (or start) running!




Sonntag, 31. Januar 2021

Endlich mal wieder mit Peter ab der Bretzelbank

Sonntagmorgenrunde "wie früher"!


Heute morgen ging's seit langem mal wieder zum Treff nach Furpach - die "Bretzelbank" an der Einfahrt zum Zentralfriedhof ist seit jeher Treffpunkt der Gruppenradfahrer im Südosten von Neunkirchen. 

Heute morgen hatte ich mich dort mit Peter Schmitt verabredet - wir beide waren schon sehr lange nicht mehr miteinander gefahren. Nach der superschönen Fahrt heute fragte ich mich wirklich, warum eigentlich nicht?

Wegen des Wetters (auf den Straßen herrschte durchaus Glättegefahr) entschieden wir uns für die Gravelausstattung.

Erst ging's durch den Kohlhöfer Wald hoch auf den Grenzsteinweg und dann am Menschenhaus auf die "Waldautobahn" in Richtung Rohrbach.

Wir quatschten - auch weil wir uns schon lange nicht mehr auf dem Rad gesehen hatten - über Gott und die Welt, und fluggs waren wir an der Geistkircher Kapelle. Kurze Beratschlagung, und schon waren wir uns einig, das Zwischenziel "Niederwürzbacher Weiher" nicht übers Frohnsbachtal anzusteuern, sondern über den Höhenzug Lambertsberg - Franzosenkopf - Kieselsberg.

 So kamen wir schließlich nach einer schönen Fahrt über vereiste Höhen (dort oben zeigte das Thermometer des Garmin Edge -3°C an) über eine Strecke, die ich bisher noch nicht kannte, in der Allmendstraße in Niederwürzbach raus.

Von dort umkurvten wir den Weiher zu einem Teil entgegen dem Urzeigersinn und fuhren hoch zum Park Philippslust, der früheren Philippsburg, von der heute aber nur noch Rudimente und eben das Gesindehaus übrig sind (siehe Bilder).

Weiter ging's! Runter ins Tal des Stockweiherbachs und vorbei am Griesweiher fuhren wir hoch zum Hof Hochscheid, dem höchsten Punkt der heutigen Tour (für Peter eine Premiere, und ich bin ja auch erst vor kurzem zum ersten Mal dort oben vorbeigekommen) und dann gleich wieder runter nach Reichenbrunn, wo wir den ganz jungen Würzbach überquerten, ehe es wieder hoch ins Naturschutzgebiet Hirschental ging.

Auch hier war ich vor kurzem erst zum ersten Mal gewesen, diesmal fuhren wir am höchsten Punkt der gut ausgebauten Wegs aber nicht über einen Trail noch höher Richtung Ensheimer Gelösch, sondern weiter ind damit wieder bergab in Richtung Oberwürzbach.


Es wurde Zeit, die Heimkehr einzuleiten: Über Oberwürzbach, das Würzbachtal hinab und dann Niederwürzbach ging's in Richtung Lautzkirchen, wo wir uns wieder "in den Wald schlugen" und übers Pferchtal und den Frauenbachtalgraben ging's zurück ins Kirkeler Bachtal, dann nach Neuhäusel und schließlich ins Mutterbachtal, von wo aus wir nach Kohlhof kamen.

Peter fuhr weiter nach Hause "uff die Plandaasch", ich durch Furpach Richtung Heimat. Schöne Runde! Und immerhin etwas über 5 "neue" Kilometer, die ich bisher noch nicht gefahren war, vornehmlich in Niederwürzbach, Reichenbrunn und Oberwürzbach.






Samstag, 30. Januar 2021

Nasse-Ritter-Ritt nach Roschberg

Nass? Pah! Kalt? Pah!

Nachdem das Wetter in den letzten Wochen ja nur noch Kapriolen schlug, hatten Mark und ich eigentlich auf einen - wie manchmal auch vorhergesagt - trockenen, zumindest aber milden Samstagmorgen gehofft. Es sollte anders kommen!

Zu unserer gemeinsamen Ausfahrt in Richtung Sankt Wendeler Land trafen wir uns am oberen Ende der Römerstraße in Wiebelskirchen - ich war bis dahin schon gut angefeuchtet, trotz wetterfester Kleidung. Aber noch zeigte das Thermometer am Tacho wenigstens 6-8° C, also fuhren wir erstmal los und hofften auf Besserung.

Hätten wir mehr Regen und kältere Temperaturen erhofft, wären unsere Erwartungen auch erfüllt worden - denn genau so kams. Am Faulenberger Hof oben auf der Wasserscheide zwischen Ill und Blies waren's plötzlich nur noch 2-3° C und es regnete immer stärker - aber wir waren jetzt warmgefahren und wenigstens war der Wind nicht stark, also: Weiter, immer weiter!

Eine genaue Route hatten wir nicht im Kopf, wir diskutierten hin und her und entschlossen uns schließlich auf Höhe Winterbach in den Ort zu fahren und von dort in Richtung Golfplatz Sankt Wendel, dann irgendwie in Richtung Bosenberg.

Am Golfplatz machten wir kurz Verpflegungsstop, aber schauten, dass wir schnell wieder ans Fahren kamen: Nur wenn das "innere Heizkraftwerk" ständig arbeitet, hält man so ein Wetter auf dem Rad aus. Also ab in Richtung Bliestal und auf den Wendalinus-Radweg, wir wollten nach Baltersweiler und von dort in Richtung Roschberg, wo wir schon sehr lange nicht mehr gewesen waren. Also ab vom Radweg und raus aus dem Bliestal rüber ins Tal des Tod-Bachs (der fließt übrigens in Sankt Wendel in der Nähe der Straße "Alter Woog" - der Name deutet auf eine frühere Stauung des Bachs hin - in die Blies).

Am nordwestlichen Rand des St. Wendeler Bannes liegt das Hofgut "Göckelmühle". Es hat seinen Namen von einer Getreidemühle, die über einen Mühlenteich aus der Blies gespeist und um 1795 errichtet wurde.

Dort verließen wir den Radweg und kamen nach Baltersweiler, von wo aus es weiter ging in Richtung Furschweiler (erst kommt ein kleiner, fieser Anstieg, der auf den Höhenzug führt, der das Breitbachtal bei Furschweiler vom Tod-Bachtal Richtung Hofeld-Mauschbach trennt, dann ging's wieder runter ins besagte Breitbachtal.

Wir überquerten den Breitbach zum zweiten Mal und erklommen den nächsten Höhenzug (von dem es ja im Sankt Wendeler Land so einige gibt...) in Richtung Roschberg.

Danach ging's über die Roschberger Straße wieder runter in Richtung Baltersweiler, von wo aus wir einen Weg befuhren, den Mark und ich bisher noch nicht kannten: parallel zur Bahnlinie in Richtung Urweiler. Es war ein wenig matschig, aber in Urweiler hatten wir wieder Asphalt unter den Reifen.

Den ursprünglichen Plan, noch den Bosenberg zu erklimmen und dann übers Ostertal heimzufahren, verwarfen wir: Zu kalt, zu nass. Stattdessen ging's über den Wurzelbach nach Oberlinxweiler (wenigstens noch ein paar Höhenmeter kamen so aufs Konto) und dann über Niederlinxweiler und Ottweiler bliesabwärts heim.

Wieder ein bisschen was gelernt und über sechs "neue" Kilometer gesammelt, die ich bisher noch nie gefahren war. Aber ich war dann doch froh, als ich das Rad sauber, die Klamotten in der Waschmaschine und mich selbst unter der Dusche hatte...









Sonntag, 3. Januar 2021

Zweiter Gravelbikeausritt im neuen Jahr: Diesmal nach Südwesten

Siff statt Zwift: Zum Spellenstein

Und wieder ein paar "neue" Kilometer gesammelt...


Wie das oft so geht: Am Sonntagmorgen hatte ich eigentlich zunächst gar keine Lust, Rad zu fahren. Aber nach einem guten Frühstück juckte es mich dann doch in den Beinen.

Oben im Geißbachtal
Heute wollte ich mal einige neue Kilometer erfahren, insbesondere den Anstieg aus dem oberen Würzbachtal bei Reichenbrunn bis hoch auf die Staffel zwischen St. Ingbert und Ensheim hatte ich mir vorgenommen.

Das Ziel meiner Fahrt - abgesehen von den wenigen Kilometern von dort bis nach Hause - war der Spellenstein in St. Ingbert.

Los ging es zunächst einmal wie gestern über den Franzosenweg runter ins Mutterbachtal. über Rohrbach und vorbei an der Geistkircher Kapelle fuhr ich dann in den Wald bei Hassel, wo ich erst einmal ein wenig rumschnüffelte, hauptsächlich entlang der PUR. Den oberkrassen "PURen DB-Trail" (siehe Bild) vermied ich aber mit dem Gravelbike, das ist dafür zumindest mit meinen Radkünsten schlicht das falsche Equipment. Ich nahm ohne falschen Stolz lieber den "Chickenway"...

Dann ging es in den nächsten Anstieg aus dem Stockweiherbachtal heraus, diesmal fuhr ich den Berg jedoch nicht zu Ende, sondern nur bis etwa in die Hälfte, und folgte dann der PUR weiter in Richtung Würzbachtal und Rittersmühle. Von dort ging es über Oberwürzbach nach Reichenbrunn.

Dort begann der lange, aber auch sehr schöne Anstieg durch das Naturschutzgebiet Hirschental. Nach einer zunächst ziemlich knackigen Steigung fährt man auf halber Höhe zwischen Würzbachtal und dem höchsten Punkt der Staffel über eine kurvige Strecke durch einen wunderschönen Wald, ehe eine 180° Kurve und ein sehr fordernder letzter Anstieg (eher MTB-Terrain) hoch zum Ensheimer Gelösch führt, einem beliebten Wanderparkplatz. Dort oben ist auch die Wasserscheide zwischen Grumbachtal, Wogbachtal und Würzbachtal. Ich wechselte direkt von einem Naturschutzgebiet ins andere: Goodbye Hirschental, hello Rheinfels.

Ich hielt mich im wesentlichen auf dem Höhenkamm, passierte dabei die "Spinne", eine große Wegekreuzung mit acht (!) Abgängen und einer Schutzhütte, von wo aus man entweder ins Grumbach-, Wogbach-, Eichersbach- oder Ommersbachtal gelangt. Oder - wie ich - in Richtung Bischmisheim fährt. Aber nicht bis in den Ort, sondern ein gutes Stück vorher dann doch runter ins Grumbachtal.

Der Spellenstein

Der "übliche" Radweg dort ist derzeit gesperrt (aufgrund des notwendigen Baufelds bzgl. der Erneuerung der Grumbachtalbrücke der A6), aber eine schöne Umleitung ist gut ausgeschildert vorhanden.

 Man fährt ein Stück den Grumbach hinauf, und nahe der Quelle auf der anderen Seite wieder hinunter. So gelangt man nach der Überquerung der A6 gut nach Sengscheid und von dort hinunter ins Rohrbachtal nach Rentrisch - und damit zum Spellenstein.

Meinen ursprünglichen Gedanken, von hier aus noch einige Waldwege auf der anderen Seite des Rohrbachtals in Richtung Neuweiler und Schüren zu befahren, hatte ich längst verworfen.

Seit ungefähr einer Stunde fiel ein beständiger Niesel-Schnee-Regen, und mir wurde jetzt doch unangenehm kalt, weshalb ich den direkten Weg nach Hause einschlug.

Über St. Ingbert ging's nach Spiesen und dort nochmal die Spieser Hohl hoch (die fährt sich übrigens mit 34-34 recht flüssig) - nach nicht ganz zweieinhalb Stunden Fahrzeit war ich dann auch zuhause.

Schöne Runde, die ich - ein wenig variiert - sicher bald nochmal fahre!


Samstag, 2. Januar 2021

Jahrespremiere


Mit dem Gravelbike durchs Mutterbachtal und den Glan hinauf

Schöner Start ins Radjahr - auch wenn's kalt war!



 

Zu meinen guten Vorsätzen im Jahr 2021 zählt auch, wieder mit dem Bloggen anzufangen. Nicht zwingend bei jeder einzelnen Laufrunde oder Ausfahrt mit dem Rad, aber zumindest bei denen, auf die ich auch selbst ab und an gern zurückblicke. Der Blog ist nämlich nicht nur für die Radfahrer vor allem unserer Region gedacht, die sich hier Anregungen holen können, sondern auch als eine Art Tagebuch für mich selbst.

Der schmale Pfad zur Hermannstraße hoch
Der schmale Pfad zur Hermannstraße hoch

Gerade in diesen Corona-Zeiten gewinnt die Entdeckung der eigenen Heimat und ihrer besonders sehenswerten Ecken neue Bedeutung. Vieles kann man mit dem Rad toll erkunden und erleben.

Und auch laufend gibt es jede Menge zu sehen, wenn man sich auch mal aus seiner Komfortzone raustraut und ein wenig auf Entdeckertour geht. Mir macht das jede Menge Freude, und da bin ich nicht allein

Daher an alle Altleser: Willkommen zurück, und an alle neuen: Viel Spaß!

Vor einigen Wochen bekam ich mein Gravelbike, das ich mir schon seit langer Zeit gewünscht hatte. Man könnte es auch "Querfeldeinrad" nennen, aber das hört sich nicht so sexy an, oder?

Nun: Es ist ein Rad, mit dem neben normalen Straßen auch unbefestigte Wege befahren kann - im engeren Sinne ein Rad für komfortables wie auch schnelles Fahren auf Kies und Schotter.

In der Ferne der schneebedeckte Höcherberg
Gerade im Winter ist es für mich die beste Option, weil ich mich in der Zeit wirklich nur ungern auf der Straße bewege. Das hat verschiedene Gründe, die schlechte Sichtbarkeit für Autofahrer (an der man natürlich auch selbst was machen kann, ordentliche Reflektoren an der Kleidung und vernünftige Belampung sind keine Kür, sondern Pflicht) und öfter und mehr Spritzwasser, das ich gar nicht mag, sind nur zwei Gründe. Das schöne ist vor allem, dass man viel Neues entdecken kann, gerade im Wald und auf Feldwegen. Die Kopfkarte wächst beträchtlich, und seit neuestem habe ich viel Freude an der App wandrer.earth, die es einem als Strava-Nutzer ermöglicht, auf der Karte genau zu sehen, ob man die befahrene(n) Strecke(n) irgendwann schon mal gefahren ist.

Der Plan heute: Erstmal Richtung Mutterbachquelle, dann den Mutterbach runter bis zur Mündung in die Blies, danach rüber nach Waldmohr, Sven besuchen und ein wenig auf Entdeckertour an den jungen Glan und auf die Südflanke des Höcherbergs.

Der Glan ca. 2,5 km unterhalb der Quellen

Ich startete über den Franzosenweg und begab mich dann in den Wald entlang der Hänge des oberen Kleberbachtals. Von der Waldstraße, die von Menschenhaus nach Rohrbach führt, bog ich recht bald nach links ab - eine gaaaanz lange gerade Strecke führt dort über zwei Wellen, u.a. das Tal des Mooswiesbachs, der direkt dem Mutterbach zufließt, in eben das Tal desselben.

An der Stelle, wo ich den Wald verließ, führte früher eine Brücke über die A6 in Richtung Kirkel - leider fiel sie Sparmaßnahmen zum Opfer und wurde vor einigen Jahren abgerissen.

Sowas wäre in "reicheren" Bundesländern nie vorgekommen - doppelt ärgerlich, weil hier eigentlich nur der Bund Geld spart. Für Menschen, denen Naherholung wichtig ist, ein bedauernswerter Verlust.

Ich fuhr in Richtung Rohrbach und dann nach links in die Unterführung unter der A6, kurz danach traf ich Martin, der mit dem MTB unterwegs war. Wir "sproochten" ein bisschen, dann ging's weiter wieder zurück Richtung Kirkel, vorbei am Bildungszentrum der Arbeitskammer und durchs Industriegebiet Waldstraße in Richtung Mutterbachtal, wobei ich einen kleinen Pfad fuhr, den ich bis dahin auch noch nicht gekannt hatte.

Doppelt hält besser...
... vor allem bei kalten Füßen!

Dann ging's zügig über feste Straßen in Richtung Norden, kurz vor Kleinottweiler konnte man den schneebedeckten Höcherberg gut sehen. Der Jägersburger Weiher war schön zugefroren, langsam merkte man dann doch, wie kalt es war. Ich war aber gut angezogen: Kurze und lange Radhose, zwei Paar Überschuhe (ein Paar mit Neopren), doppelte Handschuhe und doppelte Jacke, dazu Bandana um den Hals und eine warme Mütze. Es gibt kein schlechtes Wetter, nur unzureichende Bekleidung!

 

Bei Sven gab's für mich eine schöne Tasse Kaffee und für ihn ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk, dann ging's den Glan hinauf immer entlang des Flusses.

Im oberen Glantal war das Geläuf ziemlich fordernd...

Eine wunderschöne Strecke, die ich bisher noch niemals gefahren war. Ich wollte unbedingt bis zu der Stelle knapp unterhalb von Höchen fahren, die ich bereits von einem Lauf 2017 kannte, und dann über Höchen und Websweiler sowie den jungen Feilbach zum südlichen Ortsende von Frankenholz fahren. Auch hier war ich mit dem Rad noch nie gewesen.

Dann ging's nur noch über bekannte Straßen: Die Frankenholzer Straße runter nach Bexbach, Neunkircher Straße und Streitweg Richtung Wellesweiler (wo ich noch kurz beim Ortsvorsteher einkehrte) und dann (im Dunkeln, aber gut belampt) heim.

Schöne Runde, wenn auch das obere Glantal nicht unbedingt erste Wahl fürs Gravelbike ist, jedenfalls nicht zu dieser Jahreszeit (das ist dann doch eher MTB-Revier). Zuviel Matsch, zuviel Blätter, zu wenig Gripp mit dem "Kompromissprofil".

Aber die ganze Gegend dort mal wieder mit dem MTB zu bestreifen (sobald's etwas trockener ist) dürfte sicher reizvoll sein.