Über Kretas höchsten Straßenpass
Vorbei an den "weißen Bergen" durch Kretas schroffe Bergwelt
Heute stand die "Königsetappe" für meine eigene, kleine Dreitagesrundfahrt mit dem Rennrad (in dem Fall mit dem Gravelbike) über Kretas Straßen an: Nach dem Einrollen gestern sollte heute der Asfendospass, der höchste asphaltierte Straßenpass Kretas, überwunden werden.
Um 6 Uhr ging die Sonne auf - und ich fuhr los! |
Das sollte aber bei weitem nicht alles sein: Der Rückweg durch die gebirgige Landschaft und über Asfendos, Kallikratis, Myriokefala, Velonado, Moundros, Roustika, Kaloniktis, Agios Andreas, Gonia, Prines, Atsipopoulo und Violi Charaki sollte recht wellig werden, so daß laut Plan gut über 3.000 Höhenmeter zusammenkommen würden - die meisten davon in der heißen Vormittags- und Mittagssonne. Na dann...
In Rhetymnon war ich nach etwas mehr als 30 Minuten |
Mit der aufgehenden Sonne im Rücken und in Kenntnis der Strecke zumindest bis hinter Rhetymnon gab ich ordentlich Druck aufs Pedal - so vergingen die ersten 40 Kilometer wie im Flug. Als ich weit hinter Rhetymnon und kurz vor Georgiopouli die Küstenstraße verließ, hatte ich 39,5 Kilometer in 1:17:36 h zurückgelegt - ein Schnitt von 30,5 km/h, allein und mit einem Gravelbike!
Beginn des Anstiegs, vor mir die weißen Berge (Lefka Ori) |
Es ging zunächst durch Georgiopouli, vorbei an einem kleinen See mit Namen "Almiros" (der Salzige). Sein Delta birgt ein unter Naturschutz stehendes Wasserbiotop. In seinem Sumpfgebiet gibt es jede Menge Schilf und eine leicht salzige Quelle von hoher Leistungkraft, welche den Fluss und den am Flußufer entlang bestehenden See mit Wasser versogt, um dann kraftvoll in eine Bucht südlich des Sandstrandes zu fließen. Das Wasser der Quelle ist wohl deshalb brackig, weil es in dem karstigen Untergrund irgendwo ganz tief mit Meerwasser gemischt wird.
Blick nach oben - auf der Epar.Od.Vruson-Choras Sfakion |
Ich ging mit meiner Kraft aber noch sparsam um: Zwischen 230 und 260 Watt, mehr trat ich hier nicht, bis ich nach der Durchfahrung einiger kleiner Weiler und nach vielen Serpetinen schließlich in Alikampos ankam.
Nun folgte eine kurze Abfahrt, und an einem Kloster begann dann eine längere Steigung, die mir für die nächsten zehn Kilometer mit 550 Höhenmetern ohne nennenswerte Flachstücke und Zwischenabfahrten Beschäftigung verschaffte.
Oberhalb des Krapi-Plateaus mit paarhufiger Begleitung! |
Das Krapi-Plateau auf ca. 530m über N.N. (ich hatte also schon fast die Hälfte des Ansteigs hinter mir) liegt an der Grenzen der Provinzen Apokoronas und Sfakia. Archäologen glauben, dass das Krapi-Plateau die alte Stadt Katris beherbergte, derer Ruinen nicht mehr existieren.
Katreus, Sohn des Minos und damit der Enkel von Zeus und Europa, soll der griechischen Mythologie nach diese nach ihm benannte Stadt gegründet haben. In jedem Fall ist es vom folgenden Anstieg aus schön anzusehen, es wird jede Menge Landwirtschaft dort betrieben, und an Wasser herrscht augenscheinlich kein Mangel.
Das Askifou-Plateau - in der Mitte die Asfendospasshöhe |
Ich quälte mich nun durch eine breite Schlucht nach oben, der Anstieg war zunächst noch erträglich im Bereich zwischen vier und sechs Prozent, aber später wurde es auch mal länger zweistellig: Insgesamt erklomm ich vom Krapi-Plateau bis zur Höhe oberhalb des Askifou-Plateaus auf 4,3 km 263 Höhenmeter - das ist eine durchschnittliche Steigung von 6,1%.
Belohnt wurde ich durch einen überwältigenden Ausblick auf die Hochebene, an deren Ende die Passhöhe des Imbrospasses und der Start zum letzten, heftigen Anstieg lag:
Beginn des Asfendospasses - hinten das Askifou-Plateau |
Nach einer kurzen Abfahrt genoss ich die nun etwas flachere Strecke, erspähte aber auch schon das Ende des Hochtales mit dem Imbrospass und der abzweigenden Steigung hoch zum Asfendospass, meinem eigentlichen Ziel.
Nach der Durchfahrung des Tales und dem Erreichen des Imbrospasses bei nunmehr ca. 830m über N.N. (ich erlaubte mir einen kurzen Blick in die Anfänge der berühmten Imbros-Schlucht hinein) ging's gleich weiter hoch. Und wie! 290 Höhenmeter auf 3,6 km - selbst eine ganz kurze Zwischenabfahrt (300m) kratzt nur am durchschnittlichen Anstieg von 8,3%.
Blick auf den Imbrospass - hinten das lybische Meer |
Ab dem Imbrospass bis ganz nach oben gibt's ein STRAVA-Segment - hier liege ich (gerade noch so knapp) in den oberen 25% aller, die das bisher versucht haben (knapp 100 Fahrer). Gar nicht mal so schlecht!
Es war jetzt 09:15 Uhr, ich war also in etwas über drei Stunden und etwas über 67 Kilometern (mit jeweils nur ganz kurzen Stopps) dorthin gekommen, wohin ich eigentlich wollte.
Der Pass in seinem steilsten Stück -vorn das Finale! |
Ich gönnte mir einige Minuten, aß mich satt und trank meine Flaschen fast leer - in Asfendou würde ich sie auffüllen. Nun ging's in die Abfahrt!
Leider hatte die Straße - schon mit Beginn des Anstiegs vom Imbrospass - nicht mehr die Qualität der Hauptstraße "Epar.Od. Vruson-Choras Sfakion", auf der ich den Großteil des Anstiegs verbracht hatte.
Das Palmares-Beweisfoto! |
Die kurvenreiche Abfahrt in Richtung Asfendos barg auch einige Überraschungen: Als ich mit 50 km/h um eine Kurve kam, stand ich plötzlich vor einer "weißen Wand" in Gestalt einer Ziegenherde. Interessant!
Ca. 370 Höhenmeter unterhalb der Passhöhe erreichte ich dann Asfendos. Neun Minuten für fünf Kilometer - in den Alpen z.B. hätte ich dafür allenfalls fünf - sechs Minuten gebraucht. Aber zum Straßenbelag hab ich ja schon was geschrieben, und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste - davon abgesehen war ich von den Aussichten richtig geflasht und genoß sie daher auch sehr.
Die Abfahrt nach Asfendos (rechts im Tal) |
Aus Asfendos heraus kam gleich die erste Gegensteigung. Von wegen Dauerabfahrt nach Daueranstieg! Auf den sechs Kilometern nach Kallikratis überwand ich trotz "Nettoverlust" von 30 Höhenmetern deren 150, es war sehr wellig.
In Kallikratis, einem kleinen Nest mit vielleicht 20 Einwohnern, traf ich dann auf die von Patsianos, also vom lybischen Meer hochkommende Straße, die mich in den nächsten Anstieg zum Asi-Gonia-Pass (818m über N.N.) führen sollte, der mich zurück auf die "Nordseite" von Kreta brachte.
Am Asi-Gonia-Pass (818m über N.N.) |
Als ich oben war und in Richtung der Ägäis, also des nördlichen Meeres, blickte, traute ich meinen Augen kaum: Am Himmel flogen unzählige Greifvögel, soviele auf einmal hatte ich in meinem Leben noch nie gesehen.
Der Himmel war voll mit Vögeln!
Im ersten Moment war mir das ein wenig unheimlich, aber schon nach wenigen Momenten merkte ich, dass ich nicht im geringsten Grund zur Angst haben musste. Die Vögel interessierten sich überhaupt nicht für mich.
Ich dachte zuerst, es seien Adler, aber nach einem (späteren) Studium der Vogelwelt auf Kreta ist es dann doch unwahrscheinlich, dass sich so viele Adler an einem Ort versammelt haben. Es können also auch Geier gewesen sein (ich tauge nicht als Ornithologe), beeindruckend war die "Flugshow" in jedem Fall.
Ich fuhr weiter in die nächste Abfahrt in Richtung Myriokefala und damit schon wieder aufs Gebiet der Stadtgemeinde Rhetymnon. Der Name Myriokefala leitet sich von den zahlreichen Hügeln der Umgebung ab - und das zurecht.
Eine einigermaßen lange Abfahrt - und dann kilometerlang immer wieder rauf und runter. Außerdem galt auch hier: Schlechte Straßen - viele Steine. Aber ich hatte ja zum Glück das Gravelbike.
Bei km 100 kurz vor Moundros |
In Moundros, wo ich kurz vor dem Ort die 100 km vollmachte, fand ich zumindest eine Quelle - im Dorf entspringen gleich zwei reichhaltige Quellen, welche die Bewohner und deren Gärten mit Wasser versorgen. Moundros liegt auf zirka 300 Metern Höhe, Velonado auf 400.
Beide Dörfer sind durch die leicht begehbare Moundros-Schlucht verbunden. Auch die spektakulärere Kollito-Schlucht, durch die ein Teilstück des Europäischen Ferndwanderwegs E4 führt, ist von Moundros aus zu erreichen. Beide Schluchten treffen sich nordwestlich unterhalb des Dorfes nahe der Wüstung Nisi, welche von der inselartigen Lage zwischen den Schluchten ihren Namen hat.
Eine der Quellen in Moundros |
Dann ging's über Prines, Atsipopoulo und Violi Charaki - hurra! - wieder auf bekannte Pfade und auch mal länger am Stück bergab, was ich sehr genoss. Sieben Kilometer Abfahrt am Stück in elf Minuten!
Nun war ich wieder in Rhetymnon angekommen und konnte in flachem Terrain endlich wieder kurbeln, das Ziel vor Augen.
Der Rest war unspektakulär. Die letzten 15 km fuhr ich wieder in einem 30er-Schnitt, ohne mich großartig anzustrengen. Es waren also noch genug Körner übrig, mein Zwischentief in der welligen Hügellandschaft oberhalb von Rhetymnon war lange überwunden.
Die letzte heftige Steigung kurz hinter Gonia: 350m, 11% |
Gut geduscht, kurz ausgeruht, dann sehr gut Mittag gegessen und den Rest des Tages einfach ausgespannt - ein gehaltvoller Tag, bei der ich die Magie Kretas hautnah erlebte. Das hat sich gelohnt!
140 km in 6 Stunden, also 23,3 km/h im Schnitt bei deutlich über 3.000 hm - 228 Watt NP. Das war sportlich.
Mein ursprünglicher Plan war ja gewesen, hinter dem Imbrospass bis ans lybische Meer nach Chora Sfakion abzufahren und dann den kompletten Anstieg wieder hoch bis Kallikratis - ohne den Asfendospass.
Das wären dann 20 km mehr gewesen, allerdings sicher bei weitem nicht so schön wie diese Tour aufs Dach von Kreta - zumindest wenn man asphaltierte Straßenpässe als Maßstab nimmt. Im Nachhinein war ich mit der getroffenen Entscheidung dann doch froh. Vielleicht beim nächsten Kreta-Urlaub...
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