Bonjour, Madeleine!
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!
Nach dem tollen Ritt gestern über den Col des Aravis und dem Besuch des Etappenziels in Le Grand-Bornand waren wir zeitig ins Bett gegangen, denn ich wusste, dass mich die heutige Etappe fordern würde.
Morgengrauen 15 Minuten nach dem Start kurz vor Faverges |
Ich war schon um 05.20 Uhr abfahrbereit. Es war noch etwas duster, aber ich hatte die Lampen angeflanscht und die Jacke angezogen. 9-10° C waren schon ein wenig frisch.
Gepackt hatte ich jede Menge Riegel und Drops sowie mehrere Beutel mit Dextro-Pulver. Es sollte ein heißer Tag werden und ich hatte einiges vor. Der Plan hieß: Flach über Albertville und den Col de la Madeleine in die Maurienne, dort noch die Lacets de Montvernier hoch und über Hermillon wieder runter und dann zurück raus aus dem Tal der Arc und über den Col de Thamié zurück.
Nach 54 Minuten in Albertville - Schnitt 31 km/h (noch!) |
Ab hier gingen die Probleme dann los - anstatt einfach noch ein Stück den Arly runterzufahren und über die Avenue du Tarantaise auf die D990 (Route de Tours) einzubiegen, folgte ich den Umleitungsschildern, die ich eigentlich gar nicht hätte beachten müssen, und fand mich kurz danach auf einer langen Straße. Ich trat ordentlich durch, aber fühlte mich immer unbehaglicher, zudem mir der Garmin auch nicht helfen konnte, weil ich irgendwie das Aufspielen der Datei, die mich führen sollte, verhunzt hatte.
Endlich in der Tarantaise! |
Der einzige Weg zurück (außer dem Hinweg) war eine Schnellstraße, auf der keine Fahrräder fahren durften (nämlich die D1090, die ausschließlich zur und von der A430 weg führt). Also zurück. Mist. Zeitplan im Eimer, und motivationsfördernd war das auch nicht. Nutzt aber nix. Ich nutzte dann doch die Navifunktion des Garmin und fand so schließlich doch eine Brücke über den Arly, indem ich am Bahnhof abbog - das hätte ich schon auf dem Hinweg so machen können.
Vorn der Anstiegsbeginn - ab da noch 26,5 km bis zum Col! |
Nach knapp 60 gefahrenen Kilometern war's dann soweit. Ein leichter Anstieg der Haupstraße knapp hinter Feissonnet, gerade, als ich mich vom Lauf der Isère, der eben noch direkt links von mir geflossen war, entfernte, fast unmerklich erst, nahm immer mehr zu, bis ich aufs kleine Blatt schalten musste. Da war mir klar, dass ich da war.
Auf einer Anhöhe ging's dann scharf rechts (anstatt wieder ins Tal hinabzufahren), und nun sah ich auch das Schild: D213 - Col de la Madeleine 26. Nun denn!
Und morgen kommt die Tour... |
Die Steigung ging gleich gut los, zahlreiche Serpentinen erleichterten aber den Einstieg. Nach sieben Kehren führte die Straße dann mehr oder weniger konsequent nach Süden in Richtung Bonneval. 8% Steigung im Schnitt, 11% in der Spitze auf den ersten fünf Kilometern, und so war ich dann schon auf fast 800m über N.N.!
So arbeitete ich mich konzentriert, aber recht entspannt voran in Richtung des ersten Ortes, namentlich Bonneval. Ich konnte nun das Tal des Eau Rousse erkennen, das mit der Passhöhe des Col de la Madeleine abschließt.
Dieser Pass trennt das Massif de la Lauzière von dem ebenfalls über 2800 m aufragenden Cheval Noir und ermöglicht den Übergang vom Isère-Tal in das Tal des Arc bei La Chambre. Der gesamte Nordanstieg einschließlich mehrerer Liftanlagen des Skigebietes von Valmorel ist Teil der Enklave von La Léchère. Bis dahin war's aber noch ein Stück...
Wenige km im Pass - Blick in die obere Tarantaise |
Noch 14 Kilometer waren's nun bis zur Passhöhe, und nun würde - das war mir klar - keine "Erholungspassage" mehr kommen. Auf mich wartete eine durchschnittliche Steigung um die 8% mit Spitzen von 11-12%, und ich suchte meinen Rhythmus und fand ihn schließlich auch. Die Sonne heizte mir mittlerweile ganz schön ein, aber ich schraubte mich nach oben und genoss die herrliche Landschaft.
Bonneval - Blickrichtung Col de la Madeleine |
Sieben bis acht Kilometer vor dem Col ist das meiner Meinung nach schwerste Stück: Die dreieinhalb Kilometer vom "Snow-Center" in Celliers bis zum Bergbach "Nant Perrou" haben im Schnitt fast neun Prozent Steigung, in den Spitzen mehr, aber keinen Meter Erholungsmöglichkeit zwischendrin.
Hier hatte ich echt zu kämpfen. Danach ging's aber wieder.
Der "Nant Perrou". Danch wurde es zum Glück flacher... |
Hier war's nun nicht mehr ganz so steil, für zweieinhalb Kilometer hat's nur ca. 3,5% Steigung, und man kommt wieder zu Kräften.
Außerdem sieht man nun den Pass schon recht gut, und das motiviert ja immer. Die letzten knapp vier Kilometer haben es mit 8% im Schnitt dennoch in sich.
Ich war aber total euphorisiert und kam prima hoch, zumal die wunderschöne Natur und die grandiosen Panoramen besser sind als jedes Getränk bzw. jeder Riegel. Außerdem hatte ich zwischendurch schon genug gegessen und getrunken...Eineinhalb Kilometer vor der Passhöhe sah ich am Straßenrand einige Wohnmobile.
Hurra, hurra, die Neinkeijer sind da! |
Aber eines der Wohnmobile war schon etwas Besonderes - und zwar wegen des Kennzeichens. NK - XX XXX. Neinkeije? Ich rief laut "Wo sinn die Neinkeijer?", da kamen zwei auf mich zu und riefen: "Mir sinn awwa aus Spiese!"
"Mir egal, Euch nemm ich aach!" lachte ich, hielt an und begrüßte sie herzlich. Immer schön, "die eigene Leit" zu treffen - und Saarländer sind ja bekanntlich überall! Wir hielten uns ein schönes Gespräch, machten ein Foto, dann fuhr ich aber weiter - ich hing eh schon hintenan mit meinem Zeitplan.
Ein letzter toller Blick aufs Montblancmassiv, dann war ich oben. Knapp über zwei Stunden hatte ich für die 26 Kilometer gebraucht -das war ganz ordentlich, und ich hatte mich zwar angestrengt, aber nicht überanstrengt.
Wie immer war es ein erhebendes Gefühl, über die Linie zu fahren, die die Passhöhe markiert.
Kurz vor der Passhöhe - hinten der Pass und der Montblanc |
Natürlich machte ich fürs obligatorische "Passfoto" halt. Dabei traf ich Ian Miles aus Marhamchurch bei Cornwall, ein netter Engländer, der mich fotografierte und ich ihn.
Wir quatschten noch ein bisschen, dann machte ich mich ab auf die Abfahrt ins Tal nach La Chambre, auf der ich nur einmal für ein kurzes Foto anhielt (leider machte ich dabei den Kardinalfehler, den Garmin anzuhalten, und vergass beim Weiterfahren für kurze Zeit den Startknopf...).
Oben auf dem Col de la Madeleine |
Durch den Verfahrer am Anfang, aber auch ansonsten, hatte ich einfach schon zuviel Zeit liegenlassen - außerdem waren es noch über 70 km bis "nach Hause" und ich merkte, dass ich schon einige Körner hatte liegenlassen. Die Temperaturen taten ihr Übriges.
So muss diese Traumsteigung bis zum nächsten Urlaub in den Alpen warten. Da hab ich auch schon eine Idee! Man muss ja auch was haben, um sich für die Zukunft zu motivieren! Sp freu ich mich schon auf den nächsten Trip hierher...
Blick in die Maurienne und rüber zum Col du Glandon |
Ein Brunnen lag auf dem Weg, der soviel Druck hatte, dass sein sprudelnder Quell mittels eines Stahlrohrs gezähmt werden musste. Dort "tankte ich auf".
In Aiguebelle schließlich überquerte ich den Arc und fuhr fortan auf der linken Flußseite bis fast zur Mündung in die Isère.
Langsam merkte ich, dass ich mich nach der Heimkehr sehnte. Es waren aber noch gut 50 km zu absolvieren. Also immer frisch voran!
Ein Wunder moderner Brunnentechnik! |
Nach der Überquerung der Isère und dem Abschied von der wunderschönen Maurienne war ich mir zunächst nicht sicher, nahm dann aber die schnurgerade D1090 nach Nordwesten in Richtung Frontenex, wo ich in den Col de Thamié einsteigen wollte. Ich machte nochmal richtig Druck: 6 km in 10 min (35,6 km/h) mit 250 Watt NP.
Dann ging's in den letzten Anstieg des Tages, den Col de Thamié. Den kann man genau eigentlich gar nicht festlegen, zu variantenreich ist das Straßennetz zwischen dem Tal und der Kreuzung D64/D201C.
Ich wählte die Route Frontenex/Tourrons/Verrence-Avey/Samua, um an erwähnte Kreuzung zu kommen. Es wurde richtig heiß, die Sonne stand hoch am Himmel - 12:30 Uhr. Ich musste schon richtig tief schöpfen, um hier noch hochzukommen und war froh, als ich wenige hundert Meter unterhalb des Cols endlich in bewaldetem, schattigem Gebiet war.
Kurz vorm Col de Thamié - Blickrichtung Albertville |
Gegen 13:20 Uhr war ich dann zurück - genügend Zeit, sich zu duschen, ordentlich zu essen und dann mit dem Auto in die Tarantaise zu fahren, vorbei an der Auffahrt zum Col de la Madeleine und bis nach Bourg d'Oisans, wo wir uns die letzten Attacken in Richtung Schlußanstieg ansahen. Amelie erbeutete dabei sogar drei Bidons, eine davon von Tom Dumoulin! Nach den ersten ca. 100 Fahrern machten wir uns auf den Rückweg in die Stadt, dabei kam ein geschlagener und zutiefst frustrierter Marcel Kittel an uns vobei, für den dies die letzte Tour-Etappe sein sollte. Den Rest der Etappe sahen wir uns in einem Café auf Großbildleinwand an. Ein gelungener Abschluß eines tollen Tages!
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