Lauris - Ventoux - Lauris von joaum bei Garmin Connect
Heute morgen machte ich mich auf, einen meiner am längsten gehegten Radfahrer-Träume zu verwirklichen
Mit dem Rennrad den legendären Tour-Berg Mont Ventoux überqueren. Seit ich Rennrad fahre, habe ich mir den “Géant du Provence” vorgenommen – hatte bisher nur nie die Gelegenheit, ihn anzugehen. Letztes Jahr waren wir zwar auch in der Provence in Urlaub, aber vom Verdon aus waren es doch ein paar Kilometer, und außerdem kam zu der Zeit die Tour durch, und ich war dann mit der Familie schauen statt zu fahren.
Aber dieses Mal sollte es klappen. Trotz relativ wenig Radpraxis in diesem Jahr (erst ca. 1.400 km) gelang es mir bisher offenbar, diesen scheinbaren “Mangel” mit viel Lauftraining zu kompensieren – jedenfalls war das Ergebnis des Radmarathons im Thannheimer Tal (Schnitt 27,2 bei 230 km und 3000 hm mit dem hammerharten Hahntennjoch ab km 160) ermutigend.
Geplant hatte ich die Strecke von unserem Urlaubsort Lauris an der Durance über Cheval-Blanc, Cavaillon, Carpentras und Bedoin. Südrampe hoch, Westrampe runter und dann von Malaucène über Carpentras und den Hinweg zurück – knapp 190 km, mit relativ flacher An- und Abfahrt und dem Berg selbst als einzigem nennenswerten Höhenmeterproduzent.
Mittwoch sollte die Tour steigen. Dienstags fuhr ich mit dem Sohnemann ca. 30 km durch die Nachbarorte, und natürlich – in Cadenet hatte ich einen Platten. Reifen gewechselt, aufgepumpt – zisch, und wieder platt. So ein Mist. Ich glaubte an einen Fehler beim Reifeneinbau und war verzweifelt – kein Ersatzschlauch mehr. Was tun? Plötzlich hielt die Police Municipal, die Räder wurden bei dem einen der beiden Polizisten, der direkt in der Nähe wohnte, in die Garage geschafft und die netten Flics fuhren uns nach Villelaure zu einem Geschäft, das Schläuche hatte. Ich kaufte noch einen weiteren als Reserve und konnte nach der Rückkehr nach Cadenet mit Jan-Robin heimfahren. Ein tolles Erlebnis!
Nicht so toll war, daß abends um 22.10 Uhr der Reifen – zisch! – plötzlich alle Luft verlor. Nun inspizierte ich ihn genau und fand das Loch an der Innenseite. Klarer Fall von Felgenbandermüdung. Die Tour musste ich also verschieben, am nächsten Tag nach Petuis ins Velo Luberon und Felgenband erneuern. Jetzt aber!
Donnerstag morgen klingelte der Wecker um 5.30 Uhr, anziehen, gut frühstücken, um 6.10 Uhr gings los. Ich wollte um 14 Uhr wieder zurück sein – ambitioniert, aber machbar. Auf der Fahrt aus Lauris heraus Richtung Westen hatte ich gleich heftigen Gegenwind – ich betete, der Wind möge mittags auch noch blasen, ohne zu drehen, denn dann hätte ich wenigstens auf der Heimfahrt, müde und matt, etwas Rückenwind. Ohne zuviel vorwegzunehmen – war auch so…
Um 8.35 Uhr war ich schon in Carpentras, der Ventoux (besser seine Spitze) war noch in dicken Nebel gehüllt. Schnitt bisher 30,2 – die Beine fühlten sich gut an. Auf Richtung Bèdoin! Als ich einmal anhielt, um einen kurzen Tweet abzusetzen, fiel mir ein interessantes Schild an einer Bauernhofeinfahrt auf: “Celui qui a perdu sa merde est un enculé” – das ist wirklich zu vulgär zum Übersetzen…
In Bedoin angekommen (ca. 8.55 Uhr), fotografierte ich den Kreisel mit der schönen Radfahrerskulptur – da kam eine Gruppe von drei Fahrern vorbei. Die Jungs sahen aus, als hätten sie in etwa meine Leistungsstärke. Ich setzte ihnen nach, um in der Auffahrt nicht ganz allein zu sein. Frankie, Philippe und Pascale waren alle so um die 40 und kamen aus der Camargue – wie ich, so fuhren auch sie den Ventoux zum ersten Mal.
In Bedoin startet die Strecke mit mäßiger Steigung von ca. drei Prozent durch landwirtschaftlich genutzte Felder, steigt zwischen Kilometer drei und sechs mit ca. 5%. Dann geht der Berg richtig los: Auf den nächsten acht Kilometern immer mindestens 9%, manchmal erheblich mehr. Mein Puls ging bis 160, das war zuviel. Ich nahm etwas raus, die drei Jungs waren schon nicht mehr bei mir. Mit einem 150er-Puls fuhr ich weiter. Kurz vor dem “Chalet Reynard”, einer Raststätte auf 1420 m, lies die Steigung etwas nach, ich merkte da aber auch schon, daß ich über 90 km in den Beinen hatte. Viel kam nicht mehr.
Ab dem Chalet Reynard ist der Mont Ventoux nicht mehr mit anderen Bergen zu vergleichen. Er sieht aus wie eine Mondlandschaft – kein Halm mehr, nur noch Steine, Steine, Steine. Der Name war Programm: “Vent toux”, also Wind aus allen Richtungen, und dazu superheftig. Es war neblig, kalt (10°C), und ich litt wie ein Hund. Die Steigung auch hier mindestens 8% durchgehend, manchmal mehr – dazu brutaler Gegenwind, das tat richtig weh.
Einen Kilometer vor dem Gipfel machte ich dann auch noch den Andy
Schleck – beim Schalten fiel mir die Kette runter. Heidewitzka! Kette
wieder drauf, trotz klammer Finger, erster Anfahrtversuch misslang,
Kette fiel wieder. Ich hätte fast geheult. Das ganze dauerte drei
Minuten, die Pascale aus meiner Gruppe unten am Berg nutzte, um
vorbeizufahren, dieser alte Contador. War aber ok, er fragte sogar, ob
er halten sollte, aber ich verneinte. Zum Glück klappte der zweite
Anfahrtversuch, und der letzte Kilometer dann auch ganz gut.
Als ich dann um 10:52 Uhr endlich die Schlussrampe (die hat auf den letzten Metern vor der Passhöhe mindestens 20%!) erklommen hatte und meine brennenden Waden endlich Pause hatten, durchfloss mich wie immer bei solchen Gelegenheiten ein unglaubliches Glücksgefühl. Ich machte ein paar Fotos, gratulierte Pascale, kurz danach kamen dann auch Frankie und Philippe, wir schwatzten noch ein bisschen, ich fotografierte die drei und sie mich, ein Tweetversuch scheiterte an der fehlenden Netzabdeckung. Einige Minuten verweilte ich noch, genoss die herrliche Aussicht (der Nebel hatte sich etwas gelichtet) und ab gings runter Richtung Malaucène.
Ich verfluchte mich selbst, weil ich keinen Windbreaker dabei hatte – es war s..kalt. Erst ab ca. 1.400 m über NN kamen langsam wieder wärmere Luftströme an meine halberfrorenen Arme und Hände. Ab da machte die Abfahrt auch richtig Spass.
Von Malaucène gings nochmal ein paar
Meter hoch, aber dann bis Carpentras immer schön bergab, und der Wind
half mir jetzt. Die Beine hatten sich auch erholt, und so konnte ich
konstant 35-40 km/h treten.
Ab Cavaillon, als ich den Wind voll im Rücken hatte, gings sogar noch schneller: 40-45 km/h waren fast mein Durchschnittstempo. So war das noch zu schaffen mit 7 Stunden reiner Fahrzeit und daheim bis 14 Uhr! Ich gab noch mal alles und war dann tatsächlich um 13:59 Uhr zuhause.
Beim Absteigen vom Rad taten zwar die Knie höllisch weh, aber ansonsten gings. Frau und Kinder waren froh, daß ich noch ganz war, und dann wurde erstmal gegessen (”Du frischd wie e struppisch Rind!”, meinte mein Sohn) und am Pool “gechillt”.
Die Tour war toll. Ich bin immer noch ganz aufgedreht. Vielleicht fahre ich in den nächsten Tagen nochmal hoch, mit Jan-Robin ab Sault (5 km länger, nicht so steil und ohne lange Anfahrt). Dann hör ich aber vorher Radio. Abends erzählte mir nämlich die Eisverkäuferin in Bennoix, daß dort vor einer Auffahrt zum Mont Ventoux am heutigen Tage gewarnt wurde. “Trop dangereux – le vent est trop fort” meinte sie. Ach so…
Heute morgen machte ich mich auf, einen meiner am längsten gehegten Radfahrer-Träume zu verwirklichen
Mit dem Rennrad den legendären Tour-Berg Mont Ventoux überqueren. Seit ich Rennrad fahre, habe ich mir den “Géant du Provence” vorgenommen – hatte bisher nur nie die Gelegenheit, ihn anzugehen. Letztes Jahr waren wir zwar auch in der Provence in Urlaub, aber vom Verdon aus waren es doch ein paar Kilometer, und außerdem kam zu der Zeit die Tour durch, und ich war dann mit der Familie schauen statt zu fahren.
Aber dieses Mal sollte es klappen. Trotz relativ wenig Radpraxis in diesem Jahr (erst ca. 1.400 km) gelang es mir bisher offenbar, diesen scheinbaren “Mangel” mit viel Lauftraining zu kompensieren – jedenfalls war das Ergebnis des Radmarathons im Thannheimer Tal (Schnitt 27,2 bei 230 km und 3000 hm mit dem hammerharten Hahntennjoch ab km 160) ermutigend.
Geplant hatte ich die Strecke von unserem Urlaubsort Lauris an der Durance über Cheval-Blanc, Cavaillon, Carpentras und Bedoin. Südrampe hoch, Westrampe runter und dann von Malaucène über Carpentras und den Hinweg zurück – knapp 190 km, mit relativ flacher An- und Abfahrt und dem Berg selbst als einzigem nennenswerten Höhenmeterproduzent.
Mittwoch sollte die Tour steigen. Dienstags fuhr ich mit dem Sohnemann ca. 30 km durch die Nachbarorte, und natürlich – in Cadenet hatte ich einen Platten. Reifen gewechselt, aufgepumpt – zisch, und wieder platt. So ein Mist. Ich glaubte an einen Fehler beim Reifeneinbau und war verzweifelt – kein Ersatzschlauch mehr. Was tun? Plötzlich hielt die Police Municipal, die Räder wurden bei dem einen der beiden Polizisten, der direkt in der Nähe wohnte, in die Garage geschafft und die netten Flics fuhren uns nach Villelaure zu einem Geschäft, das Schläuche hatte. Ich kaufte noch einen weiteren als Reserve und konnte nach der Rückkehr nach Cadenet mit Jan-Robin heimfahren. Ein tolles Erlebnis!
Nicht so toll war, daß abends um 22.10 Uhr der Reifen – zisch! – plötzlich alle Luft verlor. Nun inspizierte ich ihn genau und fand das Loch an der Innenseite. Klarer Fall von Felgenbandermüdung. Die Tour musste ich also verschieben, am nächsten Tag nach Petuis ins Velo Luberon und Felgenband erneuern. Jetzt aber!
Donnerstag morgen klingelte der Wecker um 5.30 Uhr, anziehen, gut frühstücken, um 6.10 Uhr gings los. Ich wollte um 14 Uhr wieder zurück sein – ambitioniert, aber machbar. Auf der Fahrt aus Lauris heraus Richtung Westen hatte ich gleich heftigen Gegenwind – ich betete, der Wind möge mittags auch noch blasen, ohne zu drehen, denn dann hätte ich wenigstens auf der Heimfahrt, müde und matt, etwas Rückenwind. Ohne zuviel vorwegzunehmen – war auch so…
Um 8.35 Uhr war ich schon in Carpentras, der Ventoux (besser seine Spitze) war noch in dicken Nebel gehüllt. Schnitt bisher 30,2 – die Beine fühlten sich gut an. Auf Richtung Bèdoin! Als ich einmal anhielt, um einen kurzen Tweet abzusetzen, fiel mir ein interessantes Schild an einer Bauernhofeinfahrt auf: “Celui qui a perdu sa merde est un enculé” – das ist wirklich zu vulgär zum Übersetzen…
In Bedoin angekommen (ca. 8.55 Uhr), fotografierte ich den Kreisel mit der schönen Radfahrerskulptur – da kam eine Gruppe von drei Fahrern vorbei. Die Jungs sahen aus, als hätten sie in etwa meine Leistungsstärke. Ich setzte ihnen nach, um in der Auffahrt nicht ganz allein zu sein. Frankie, Philippe und Pascale waren alle so um die 40 und kamen aus der Camargue – wie ich, so fuhren auch sie den Ventoux zum ersten Mal.
In Bedoin startet die Strecke mit mäßiger Steigung von ca. drei Prozent durch landwirtschaftlich genutzte Felder, steigt zwischen Kilometer drei und sechs mit ca. 5%. Dann geht der Berg richtig los: Auf den nächsten acht Kilometern immer mindestens 9%, manchmal erheblich mehr. Mein Puls ging bis 160, das war zuviel. Ich nahm etwas raus, die drei Jungs waren schon nicht mehr bei mir. Mit einem 150er-Puls fuhr ich weiter. Kurz vor dem “Chalet Reynard”, einer Raststätte auf 1420 m, lies die Steigung etwas nach, ich merkte da aber auch schon, daß ich über 90 km in den Beinen hatte. Viel kam nicht mehr.
Ab dem Chalet Reynard ist der Mont Ventoux nicht mehr mit anderen Bergen zu vergleichen. Er sieht aus wie eine Mondlandschaft – kein Halm mehr, nur noch Steine, Steine, Steine. Der Name war Programm: “Vent toux”, also Wind aus allen Richtungen, und dazu superheftig. Es war neblig, kalt (10°C), und ich litt wie ein Hund. Die Steigung auch hier mindestens 8% durchgehend, manchmal mehr – dazu brutaler Gegenwind, das tat richtig weh.
Im letzten Anstieg Richtung Gipfel |
Als ich dann um 10:52 Uhr endlich die Schlussrampe (die hat auf den letzten Metern vor der Passhöhe mindestens 20%!) erklommen hatte und meine brennenden Waden endlich Pause hatten, durchfloss mich wie immer bei solchen Gelegenheiten ein unglaubliches Glücksgefühl. Ich machte ein paar Fotos, gratulierte Pascale, kurz danach kamen dann auch Frankie und Philippe, wir schwatzten noch ein bisschen, ich fotografierte die drei und sie mich, ein Tweetversuch scheiterte an der fehlenden Netzabdeckung. Einige Minuten verweilte ich noch, genoss die herrliche Aussicht (der Nebel hatte sich etwas gelichtet) und ab gings runter Richtung Malaucène.
Ich verfluchte mich selbst, weil ich keinen Windbreaker dabei hatte – es war s..kalt. Erst ab ca. 1.400 m über NN kamen langsam wieder wärmere Luftströme an meine halberfrorenen Arme und Hände. Ab da machte die Abfahrt auch richtig Spass.
Blick nach Norden kurz nach der "Passhöhe" |
Ab Cavaillon, als ich den Wind voll im Rücken hatte, gings sogar noch schneller: 40-45 km/h waren fast mein Durchschnittstempo. So war das noch zu schaffen mit 7 Stunden reiner Fahrzeit und daheim bis 14 Uhr! Ich gab noch mal alles und war dann tatsächlich um 13:59 Uhr zuhause.
Beim Absteigen vom Rad taten zwar die Knie höllisch weh, aber ansonsten gings. Frau und Kinder waren froh, daß ich noch ganz war, und dann wurde erstmal gegessen (”Du frischd wie e struppisch Rind!”, meinte mein Sohn) und am Pool “gechillt”.
Die Tour war toll. Ich bin immer noch ganz aufgedreht. Vielleicht fahre ich in den nächsten Tagen nochmal hoch, mit Jan-Robin ab Sault (5 km länger, nicht so steil und ohne lange Anfahrt). Dann hör ich aber vorher Radio. Abends erzählte mir nämlich die Eisverkäuferin in Bennoix, daß dort vor einer Auffahrt zum Mont Ventoux am heutigen Tage gewarnt wurde. “Trop dangereux – le vent est trop fort” meinte sie. Ach so…
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