Dienstag, 3. Juli 2018

#granfondo_2018_09 Asfendospass - von 0 auf 1104 mit dem Gravelbike


Über Kretas höchsten Straßenpass

Vorbei an den "weißen Bergen" durch Kretas schroffe Bergwelt

 

Heute stand die "Königsetappe" für meine eigene, kleine Dreitagesrundfahrt mit dem Rennrad (in dem Fall mit dem Gravelbike) über Kretas Straßen an: Nach dem Einrollen gestern sollte heute der Asfendospass, der höchste asphaltierte Straßenpass Kretas, überwunden werden.

Um 6 Uhr ging die Sonne auf - und ich fuhr los!
Der Asfendos Pass liegt etwas östlich des Gebirgsmassivs Lefka Ori (weiße Berge) und verbindet auf einer Länge von 14,8 Kilometern die Passhöhe des Imbrospasses im Westen mit dem Ort Kallikrátis im Osten. Mit der geplanten Anfahrt von der Nordküste und dem Weg über den Imbrospass warteten allein durch den Anstieg vom Meeresniveau hoch zum Pass gut 1100 Höhenmeter netto am Stück auf mich.

Das sollte aber bei weitem nicht alles sein: Der Rückweg durch die gebirgige Landschaft und über Asfendos, Kallikratis, Myriokefala, Velonado, Moundros, Roustika, Kaloniktis, Agios Andreas, Gonia, Prines, Atsipopoulo und Violi Charaki sollte recht wellig werden, so daß laut Plan gut über 3.000 Höhenmeter zusammenkommen würden - die meisten davon in der heißen Vormittags- und Mittagssonne. Na dann...

In Rhetymnon war ich nach etwas mehr als 30 Minuten
Ich fuhr morgens zeitig los, um 06:00 Uhr - unser Hotel bot dankenswerterweise für Frühaufsteher ein zwar in der Auswahl stark reduziertes, aber sättigendes Frühstücksmenü an, so dass ich gut gestärkt, ordentlich eingecremt und auch ansonsten bestens ausgerüstet starten konnte. Das Getränkepulver für die Trinkflaschen war ordentlich portioniert in kleinen Plastikbeuteln, Riegel und Geldrops hatte ich in ausreichender Anzahl dabei.

Mit der aufgehenden Sonne im Rücken und in Kenntnis der Strecke zumindest bis hinter Rhetymnon gab ich ordentlich Druck aufs Pedal - so vergingen die ersten 40 Kilometer wie im Flug. Als ich weit hinter Rhetymnon und kurz vor Georgiopouli die Küstenstraße verließ, hatte ich 39,5 Kilometer in 1:17:36 h zurückgelegt - ein Schnitt von 30,5 km/h, allein und mit einem Gravelbike!

Beginn des Anstiegs, vor mir die weißen Berge (Lefka Ori)
Dass dieser Schnitt nun, am Beginn der Steigung hoch zum Asfendospass, langsam schmilzen würde wie Eis in der Sonne, war mir klar. Aber ich freute mich richtig auf die anstehenden Steigungen, weil ich nach fast 1,5 Stunden flachen Tretens auch mal Lust auf Klettern hatte.

Es ging zunächst durch Georgiopouli, vorbei an einem kleinen See mit Namen "Almiros" (der Salzige). Sein Delta birgt ein unter Naturschutz stehendes Wasserbiotop. In seinem Sumpfgebiet gibt es jede Menge Schilf und eine leicht salzige Quelle von hoher Leistungkraft, welche den Fluss und den am Flußufer entlang bestehenden See mit Wasser versogt, um dann kraftvoll in eine Bucht südlich des Sandstrandes zu fließen. Das Wasser der Quelle ist wohl deshalb brackig, weil es in dem karstigen Untergrund irgendwo ganz tief mit Meerwasser gemischt wird.

Blick nach oben - auf der Epar.Od.Vruson-Choras Sfakion
Besonders sind auch die verschiedenen Sorten typischer Mittelmeer-Vegetation, welche innerhalb und neben dem Schilf bestehen und somit die Vielfalt rarer Pflanzen und Tiere vergrößern. Ganz in der Nähe des Strandes fließt noch ein weiterer Fluß, der Boutakas, der Süßwasser führt und aus den Bergen kommt, in das Delta ein. Ihm folgte ich nun bergan und hatte erstmals einen wunderschönen Blick auf die weißen Berge, nach wenigen Kilometern jedoch musste ich nach links abbiegen und unter der Hauptstraße, auf der ich gekommen war und die nun merklich anstieg, hindurchfahren. Nun war ich richtig im Anstieg drin: Hier ging es nun zwischen 12 und 20% bergauf, wenn auch die "knackigen" Rampen jeweils nur kurz waren.

Ich ging mit meiner Kraft aber noch sparsam um: Zwischen 230 und 260 Watt, mehr trat ich hier nicht, bis ich nach der Durchfahrung einiger kleiner Weiler und nach vielen Serpetinen schließlich in Alikampos ankam.

Nun folgte eine kurze Abfahrt, und an einem Kloster begann dann eine längere Steigung, die mir für die nächsten zehn Kilometer mit 550 Höhenmetern ohne nennenswerte Flachstücke und Zwischenabfahrten Beschäftigung verschaffte.

Oberhalb des Krapi-Plateaus mit paarhufiger Begleitung!
Ich kam zunächst auf die gut ausgebaute Hauptstraße, die nach dem kleinen Küstenort Chora Sfakion an der Südküste benannt ist, zu dem sie führt. Es ging bergan, bergan und bergan, irgendwann kam ich in etwas flachere (aber immer noch ansteigende) Gefilde, nun war ich auf dem Krapi-Plateau, und vor mir lag eine Serpentinenstraße, die nach etwa 500m flachen Fahrens wieder anstieg.

Das Krapi-Plateau auf ca. 530m über N.N. (ich hatte also schon fast die Hälfte des Ansteigs hinter mir) liegt an der Grenzen der Provinzen Apokoronas und Sfakia. Archäologen glauben, dass das Krapi-Plateau die alte Stadt Katris beherbergte, derer Ruinen nicht mehr existieren.

Katreus, Sohn des Minos und damit der Enkel von Zeus und Europa, soll der griechischen Mythologie nach diese nach ihm benannte Stadt gegründet haben. In jedem Fall ist es vom folgenden Anstieg aus schön anzusehen, es wird jede Menge Landwirtschaft dort betrieben, und an Wasser herrscht augenscheinlich kein Mangel.

Das Askifou-Plateau - in der Mitte die Asfendospasshöhe
Im nun folgenden Anstieg bekam ich jede Menge paarhufige Gesellschaft. Durch die entsprechenden Knödel auf der Straße kündigte sich diese schon längere Zeit an. Die Tiere hatten die Ruhe weg, weder Rad- noch Autofahrer störten sie auch nur im geringsten.

Ich quälte mich nun durch eine breite Schlucht nach oben, der Anstieg war zunächst noch erträglich im Bereich zwischen vier und sechs Prozent, aber später wurde es auch mal länger zweistellig: Insgesamt erklomm ich vom Krapi-Plateau bis zur Höhe oberhalb des Askifou-Plateaus auf 4,3 km 263 Höhenmeter - das ist eine durchschnittliche Steigung von 6,1%.

Belohnt wurde ich durch einen überwältigenden Ausblick auf die Hochebene, an deren Ende die Passhöhe des Imbrospasses und der Start zum letzten, heftigen Anstieg lag:

Beginn des Asfendospasses - hinten das Askifou-Plateau
Das Askifou-Plateau liegt im Westen der "Lefka Ori", der weißen Berge. Es sieht ein wenig aus wie eine Tasse, daher auch der Name ("Askifou" ist das Wort für Tasse im Altgriechischen). Es wird begrenzt von den Gipfeln des Kastro (2218 m) im Westen, des Trypali (1493 m) im Osten und des Angathes (1511 m) im Süden.  An den Rändern der Ebene liegen die Dörfer Ammoudari, Kares, Kosto, Petres, Mesa und Exo Goni sowie Stavorachi.

Nach einer kurzen Abfahrt genoss ich die nun etwas flachere Strecke, erspähte aber auch schon das Ende des Hochtales mit dem Imbrospass und der abzweigenden Steigung hoch zum Asfendospass, meinem eigentlichen Ziel.

Nach der Durchfahrung des Tales und dem Erreichen des Imbrospasses bei nunmehr ca. 830m über N.N. (ich erlaubte mir einen kurzen Blick in die Anfänge der berühmten Imbros-Schlucht hinein) ging's gleich weiter hoch. Und wie! 290 Höhenmeter auf 3,6 km - selbst eine ganz kurze Zwischenabfahrt (300m) kratzt nur am durchschnittlichen Anstieg von 8,3%.

Blick auf den Imbrospass - hinten das lybische Meer
Der pure Schlußanstieg nach der kleinen Senke, die dem ersten Teil des Anstiegs folgt, ist 2,5 km lang und überwindet ohne einmal Verschnaufen 220 Höhenmeter. Fast 300 Watt im Schnitt trat ich hier hoch und ging dabei wirklich an meine Grenzen - dann war ich endlich auf dem Gipfel der Tour!

Ab dem Imbrospass bis ganz nach oben gibt's ein STRAVA-Segment - hier liege ich (gerade noch so knapp) in den oberen 25% aller, die das bisher versucht haben (knapp 100 Fahrer). Gar nicht mal so schlecht!

Es war jetzt 09:15 Uhr, ich war also in etwas über drei Stunden und etwas über 67 Kilometern (mit jeweils nur ganz kurzen Stopps) dorthin gekommen, wohin ich eigentlich wollte.

Der Pass in seinem steilsten Stück -vorn das Finale!
Die Aussicht war atemberaubend - im Süden das lybische Meer, im Westen die weißen Berge und im Osten das Psiloritis-Massiv bzw. Idagebirge. Episch!

Ich gönnte mir einige Minuten, aß mich satt und trank meine Flaschen fast leer - in Asfendou würde ich sie auffüllen. Nun ging's in die Abfahrt!

Leider hatte die Straße - schon mit Beginn des Anstiegs vom Imbrospass - nicht mehr die Qualität der Hauptstraße "Epar.Od. Vruson-Choras Sfakion", auf der ich den Großteil des Anstiegs verbracht hatte.

Das Palmares-Beweisfoto!
Vielfach lag Gestein auf der Straße, von großen Brocken bis hin zu Schotter, Schlaglöcher und Risse waren vielfach vorhanden. Schon jetzt war ich froh, mit Gravelbikebereifung anstatt mit "Dackelschneidern" ausgerüstet zu sein.

Die kurvenreiche Abfahrt in Richtung Asfendos barg auch einige Überraschungen: Als ich mit 50 km/h um eine Kurve kam, stand ich plötzlich vor einer "weißen Wand" in Gestalt einer Ziegenherde. Interessant!

Ca. 370 Höhenmeter unterhalb der Passhöhe erreichte ich dann Asfendos. Neun Minuten für fünf Kilometer - in den Alpen z.B. hätte ich dafür allenfalls fünf - sechs Minuten gebraucht. Aber zum Straßenbelag hab ich ja schon was geschrieben, und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste - davon abgesehen war ich von den Aussichten richtig geflasht und genoß sie daher auch sehr.


Die Abfahrt nach Asfendos (rechts im Tal)
In Asfendos, einem kleinen Dörfchen von ca. 270 Einwohnern, hatte eine Taverne geöffnet. Mit dem Wirtsehepaar verständigte ich mich "mit Händen und Füßen", kaufte eine große Flasche Wasser und eine Portion sehr leckerer Pita-Teile, die ich hungrig verschlang. Weiter ging's!

Aus Asfendos heraus kam gleich die erste Gegensteigung. Von wegen Dauerabfahrt nach Daueranstieg! Auf den sechs Kilometern nach Kallikratis überwand ich trotz "Nettoverlust" von 30 Höhenmetern deren 150, es war sehr wellig.


In Kallikratis, einem kleinen Nest mit vielleicht 20 Einwohnern, traf ich dann auf die von Patsianos, also vom lybischen Meer hochkommende Straße, die mich in den nächsten Anstieg zum Asi-Gonia-Pass (818m über N.N.) führen sollte, der mich zurück auf die "Nordseite" von Kreta brachte.

Am Asi-Gonia-Pass (818m über N.N.)
Der Anstieg war jetzt schon etwas schwieriger, weil es auch immer heißer wurde, aber ansonsten unspektakulär und auch recht gleichmäßig mit 3-4% im Schnitt und insgesamt ca. 100 Höhenmeter Differenz.

Als ich oben war und in Richtung der Ägäis, also des nördlichen Meeres, blickte, traute ich meinen Augen kaum: Am Himmel flogen unzählige Greifvögel, soviele auf einmal hatte ich in meinem Leben noch nie gesehen.


Der Himmel war voll mit Vögeln!

Im ersten Moment war mir das ein wenig unheimlich, aber schon nach wenigen Momenten merkte ich, dass ich nicht im geringsten Grund zur Angst haben musste. Die Vögel interessierten sich überhaupt nicht für mich.



Ich dachte zuerst, es seien Adler, aber nach einem (späteren) Studium der Vogelwelt auf Kreta ist es dann doch unwahrscheinlich, dass sich so viele Adler an einem Ort versammelt haben. Es können also auch Geier gewesen sein (ich tauge nicht als Ornithologe), beeindruckend war die "Flugshow" in jedem Fall.

Ich fuhr weiter in die nächste Abfahrt in Richtung Myriokefala und damit schon wieder aufs Gebiet der Stadtgemeinde Rhetymnon.
Der Name Myriokefala leitet sich von den zahlreichen Hügeln der Umgebung ab - und das zurecht.

Eine einigermaßen lange Abfahrt - und dann kilometerlang immer wieder rauf und runter. Außerdem galt auch hier: Schlechte Straßen - viele Steine. Aber ich hatte ja zum Glück das Gravelbike.

Bei km 100 kurz vor Moundros
Vilandredo, Velonado, Moundros - es wurde heißer und heißer, es ging auf und ab, die Landschaften, so schön sie auch waren, waren für mich mittlerweile kein Genuß mehr, sondern nur noch die Kulisse auf dem Weg nach Hause.

In Moundros, wo ich kurz vor dem Ort die 100 km vollmachte, fand ich zumindest eine Quelle - im Dorf entspringen gleich zwei reichhaltige Quellen, welche die Bewohner und deren Gärten mit Wasser versorgen. Moundros liegt auf zirka 300 Metern Höhe, Velonado auf 400.

Beide Dörfer sind durch die leicht begehbare Moundros-Schlucht verbunden. Auch die spektakulärere Kollito-Schlucht, durch die ein Teilstück des Europäischen Ferndwanderwegs E4 führt, ist von Moundros aus zu erreichen. Beide Schluchten treffen sich nordwestlich unterhalb des Dorfes nahe der Wüstung Nisi, welche von der inselartigen Lage zwischen den Schluchten ihren Namen hat.

Eine der Quellen in Moundros
Im Ort verfuhr ich mich gleich zweimal, ehe ich die Zuwegung nach Roustika fand, und kam so schließlich nach Kaloniktis und Gonia. Dort am Ortsausgang wartete die letzte richtig heftige, wenn auch kurze Steigung.

Dann ging's über Prines, Atsipopoulo und Violi Charaki - hurra! - wieder auf bekannte Pfade und auch mal länger am Stück bergab, was ich sehr genoss. Sieben Kilometer Abfahrt am Stück in elf Minuten!

Nun war ich wieder in Rhetymnon angekommen und konnte in flachem Terrain endlich wieder kurbeln, das Ziel vor Augen.

Der Rest war unspektakulär. Die letzten 15 km fuhr ich wieder in einem 30er-Schnitt, ohne mich großartig anzustrengen. Es waren also noch genug Körner übrig, mein Zwischentief in der welligen Hügellandschaft oberhalb von Rhetymnon war lange überwunden.

Die letzte heftige Steigung kurz hinter Gonia: 350m, 11%
Um 12:40 Uhr war ich wieder zurück, die Nettofahrzeit lag nur 40 Minuten unter der Bruttofahrzeit - lang aufgehalten hatte ich mich also nirgendwo, alleine die Pause in Asfendos hatte fast 25 Minuten gedauert.

Gut geduscht, kurz ausgeruht, dann sehr gut Mittag gegessen und den Rest des Tages einfach ausgespannt - ein gehaltvoller Tag, bei der ich die Magie Kretas hautnah erlebte. Das hat sich gelohnt!

140 km in 6 Stunden, also 23,3 km/h im Schnitt bei deutlich über 3.000 hm - 228 Watt NP. Das war sportlich.

Mein ursprünglicher Plan war ja gewesen, hinter dem Imbrospass bis ans lybische Meer nach Chora Sfakion abzufahren und dann den kompletten Anstieg wieder hoch bis Kallikratis - ohne den Asfendospass.


Das wären dann 20 km mehr gewesen, allerdings sicher bei weitem nicht so schön wie diese Tour aufs Dach von Kreta - zumindest wenn man asphaltierte Straßenpässe als Maßstab nimmt. Im Nachhinein war ich mit der getroffenen Entscheidung dann doch froh. Vielleicht beim nächsten Kreta-Urlaub...

 











Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen