Mittwoch, 18. Juli 2018

#granfondo_2018_11 TdF 2018 - Col de la Madeleine & Col de Thamié






Bonjour, Madeleine!


Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!



Nach dem tollen Ritt gestern über den Col des Aravis und dem Besuch des Etappenziels in Le Grand-Bornand waren wir zeitig ins Bett gegangen, denn ich wusste, dass mich die heutige Etappe fordern würde.

Morgengrauen 15 Minuten nach dem Start kurz vor Faverges
Zunächst einmal wegen des frühen Starts: Um 05.30 Uhr sollte es losgehen, weil bei über 180 geplanten Kilometern mit Pausen ansonsten die Heimkehr zu spät gewesen wäre, um noch in die Tarantaise zu kommen - wir wollten ja schliesslich den Beginn des Schlussanstieges der heutigen Etappe nach La Rosière nicht verpassen!

Ich war schon um 05.20 Uhr abfahrbereit. Es war noch etwas duster, aber ich hatte die Lampen angeflanscht und die Jacke angezogen. 9-10° C waren schon ein wenig frisch.

Gepackt hatte ich jede Menge Riegel und Drops sowie mehrere Beutel mit Dextro-Pulver. Es sollte ein heißer Tag werden und ich hatte einiges vor. Der Plan hieß: Flach über Albertville und den Col de la Madeleine in die Maurienne, dort noch die Lacets de Montvernier hoch und über Hermillon wieder runter und dann zurück raus aus dem Tal der Arc und über den Col de Thamié zurück.

Nach 54 Minuten in Albertville - Schnitt 31 km/h (noch!)
Bereits nach knapp 54 Minuten war ich mit einem 31er-Schnitt über Faverges (wo ich die Jacke schon auszog) und Ugine (wo ich die Lampen ausmachte) in Albertville angekommen - die Strecke kannte ich mittlerweile gut. Auf der Brücke über den Arly sah ich dann auch die ersten "Vorboten" der Tour, die nur wenige Meter von hier in die heutige Etappe starten sollte.

Ab hier gingen die Probleme dann los - anstatt einfach noch ein Stück den Arly runterzufahren und über die Avenue du Tarantaise auf die D990 (Route de Tours) einzubiegen, folgte ich den Umleitungsschildern, die ich eigentlich gar nicht hätte beachten müssen, und fand mich kurz danach auf einer langen Straße. Ich trat ordentlich durch, aber fühlte mich immer unbehaglicher, zudem mir der Garmin auch nicht helfen konnte, weil ich irgendwie das Aufspielen der Datei, die mich führen sollte, verhunzt hatte.

Endlich in der Tarantaise!
Ich fuhr halt weiter, in dem sicheren Glauben, bald eine Brücke zu finden, die mich in die Tarantaise führen sollte. Ich war vorbei am Bahnhof gekommen, vorbei am Krankenhaus, bei früheren Besuchen der Olympiastadt von 1992 war ich da überall schon mal gewesen, nur den Zugang zu einer Brücke über den Arly oder die Isère fand ich nicht. Als ich mich dem Fluß (der hier schon die Isère war) wieder näherte, erkannte ich, dass das nix mehr werden würde.

Der einzige Weg zurück (außer dem Hinweg) war eine Schnellstraße, auf der keine Fahrräder fahren durften (nämlich die D1090, die ausschließlich zur und von der A430 weg führt). Also zurück. Mist. Zeitplan im Eimer, und motivationsfördernd war das auch nicht. Nutzt aber nix. Ich nutzte dann doch die Navifunktion des Garmin und fand so schließlich doch eine Brücke über den Arly, indem ich am Bahnhof abbog - das hätte ich schon auf dem Hinweg so machen können.

Vorn der Anstiegsbeginn - ab da noch 26,5 km bis zum Col!
Nun war ich aber wenigstens richtig und gelangte über die D1212A (Avenue Jean Jaurès) und die D990 ins Tal der Isère. Ich fuhr durch Tours-en-Savoie, in La Bathie machte ich dann die 50 km voll, es rollte recht gut, die Temperatur war mit 14-16°C etwas frisch, aber angenehm. Ich überquerte die Isère und fuhr dem Einstieg in den Col de la Madeleine entgegen.

Nach knapp 60 gefahrenen Kilometern war's dann soweit. Ein leichter Anstieg der Haupstraße knapp hinter Feissonnet, gerade, als ich mich vom Lauf der Isère, der eben noch direkt links von mir geflossen war, entfernte, fast unmerklich erst, nahm immer mehr zu, bis ich aufs kleine Blatt schalten musste. Da war mir klar, dass ich da war.

Auf einer Anhöhe ging's dann scharf rechts (anstatt wieder ins Tal hinabzufahren), und nun sah ich auch das Schild: D213 - Col de la Madeleine 26. Nun denn!

Und morgen kommt die Tour...
Jeder hat so sein Muster, wie er lange, berühmte Pässe angeht. Ich versuche immer, gleich zu Beginn extrem locker, mit kleinen Gängen und hoher Trittfrequenz zu fahren - ich fahre ja eben keine Radrennen und will das auch alles so richtig genießen.

Die Steigung ging gleich gut los, zahlreiche Serpentinen erleichterten aber den Einstieg. Nach sieben Kehren führte die Straße dann mehr oder weniger konsequent nach Süden in Richtung Bonneval. 8% Steigung im Schnitt, 11% in der Spitze auf den ersten fünf Kilometern, und so war ich dann schon auf fast 800m über N.N.!

So arbeitete ich mich konzentriert, aber recht entspannt voran in Richtung des ersten Ortes, namentlich Bonneval. Ich konnte nun das Tal des Eau Rousse erkennen, das mit der Passhöhe des Col de la Madeleine abschließt.

Dieser Pass trennt das Massif de la Lauzière von dem ebenfalls über 2800 m aufragenden Cheval Noir und ermöglicht den Übergang vom Isère-Tal in das Tal des Arc bei La Chambre. Der gesamte Nordanstieg einschließlich mehrerer Liftanlagen des Skigebietes von Valmorel ist Teil der Enklave von La Léchère. Bis dahin war's aber noch ein Stück...

Wenige km im Pass - Blick in die obere Tarantaise
Erst gab's noch zwei Kehren, dann ließ ich den ersten Teil von Bonneval "liegen" und fuhr erst mal drei Kilometer fast flach bzw. sogar leicht abschüssig weiter, denn ich musste den Taleinschnitt des Bergbachs "Le Tartet", der in das Eau Rousse entwässert, überqueren. Nun kam ich am Rathaus von Bonneval vorbei. Es folgte ein weiteres Flachstück, wieder überquerte ich einen Bergbach, den "Ruisseau du Villard". Danach ging's wieder bergan!

Noch 14 Kilometer waren's nun bis zur Passhöhe, und nun würde - das war mir klar - keine "Erholungspassage" mehr kommen. Auf mich wartete eine durchschnittliche Steigung um die 8% mit Spitzen von 11-12%, und ich suchte meinen Rhythmus und fand ihn schließlich auch. Die Sonne heizte mir mittlerweile ganz schön ein, aber ich schraubte mich nach oben und genoss die herrliche Landschaft.

Bonneval - Blickrichtung Col de la Madeleine
Die Krönung dieser wunderbaren Panoramen war definitv der Blick auf das Montblancmassiv, den man immer erhaschte, wenn einen die serpentinige Strecke für ein kurzes Stück nach Norden führte. Man hat das Gefühl, als sei der Montblanc nur wenige Kilometer entfernt - dabei sind es in Wahrheit 60 Kilometer!

Sieben bis acht Kilometer vor dem Col ist das meiner Meinung nach schwerste Stück: Die dreieinhalb Kilometer vom "Snow-Center" in Celliers bis zum Bergbach "Nant Perrou" haben im Schnitt fast neun Prozent Steigung, in den Spitzen mehr, aber keinen Meter Erholungsmöglichkeit zwischendrin.

Hier hatte ich echt zu kämpfen. Danach ging's aber wieder.

Der "Nant Perrou". Danch wurde es zum Glück flacher...
Ca. vier-sechs Kilometer vor der Passhöhe nähert man sich dem Skigebiet Saint Francois-Longchamp, dessen Zentrum eigentlich auf der anderen Seite des Passes liegt, an dessen Liftanlagen auf der Nordseite des Col de la Madeleine man aber hier vorbeikommt.

Hier war's nun nicht mehr ganz so steil, für zweieinhalb Kilometer hat's nur ca. 3,5% Steigung, und man kommt wieder zu Kräften.

Außerdem sieht man nun den Pass schon recht gut, und das motiviert ja immer. Die letzten knapp vier Kilometer haben es mit 8% im Schnitt dennoch in sich.

Ich war aber total euphorisiert und kam prima hoch, zumal die wunderschöne Natur und die grandiosen Panoramen besser sind als jedes Getränk bzw. jeder Riegel. Außerdem hatte ich zwischendurch schon genug gegessen und getrunken...Eineinhalb Kilometer vor der Passhöhe sah ich am Straßenrand einige Wohnmobile.

Hurra, hurra, die Neinkeijer sind da!
Schon seit einigen Kilometern waren es mehr und mehr geworden, morgen sollte ja die Tour hier vorbeikommen. Ich hab früher nie so recht verstanden, was die Menschen bewegt, teils vier bis fünf Tage vor der Etappe schon die besten Plätze einzunehmen und hier oben zu bleiben - nun verstand ich es. In dieser herrlichen Gegend wird's garantiert nicht langweilig, Wanderwege gibt's zuhauf.


Aber eines der Wohnmobile war schon etwas Besonderes - und zwar wegen des Kennzeichens. NK - XX XXX. Neinkeije? Ich rief laut "Wo sinn die Neinkeijer?", da kamen zwei auf mich zu und riefen: "Mir sinn awwa aus Spiese!"

"Mir egal, Euch nemm ich aach!" lachte ich, hielt an und begrüßte sie herzlich. Immer schön, "die eigene Leit" zu treffen - und Saarländer sind ja bekanntlich überall! Wir hielten uns ein schönes Gespräch, machten ein Foto, dann fuhr ich aber weiter - ich hing eh schon hintenan mit meinem Zeitplan.

Ein letzter toller Blick aufs Montblancmassiv, dann war ich oben. Knapp über zwei Stunden hatte ich für die 26 Kilometer gebraucht -das war ganz ordentlich, und ich hatte mich zwar angestrengt, aber nicht überanstrengt.

Wie immer war es ein erhebendes Gefühl, über die Linie zu fahren, die die Passhöhe markiert.

Kurz vor der Passhöhe - hinten der Pass und der Montblanc
Schon vorher erblickte man in der Ferne auf der anderen Seite des Tals des Arc die wunderschöne Landschaft der Maurienne und den Aiguille Dulong de Rosnay, den fast 3.000 m hohen Berg, unterhalb dessen sich der Col de la Croix de Fer und der Col du Glandon befinden.

Natürlich machte ich fürs obligatorische "Passfoto" halt. Dabei traf ich Ian Miles aus Marhamchurch bei Cornwall, ein netter Engländer, der mich fotografierte und ich ihn.

Wir quatschten noch ein bisschen, dann machte ich mich ab auf die Abfahrt ins Tal nach La Chambre, auf der ich nur einmal für ein kurzes Foto anhielt (leider machte ich dabei den Kardinalfehler, den Garmin anzuhalten, und vergass beim Weiterfahren für kurze Zeit den Startknopf...).

Oben auf dem Col de la Madeleine
Die knapp 19 km lange Abfahrt absolvierte ich in 28 Minuten. Unten traf ich dann endgültig die Entscheidung, die ich schon während der Abfahrt reiflich überlegt hatte: Ich verzichtete auf die Extrarunde über die Lacets de Montvernier.

Durch den Verfahrer am Anfang, aber auch ansonsten, hatte ich einfach schon zuviel Zeit liegenlassen - außerdem waren es noch über 70 km bis "nach Hause" und ich merkte, dass ich schon einige Körner hatte liegenlassen. Die Temperaturen taten ihr Übriges.

So muss diese Traumsteigung bis zum nächsten Urlaub in den Alpen warten. Da hab ich auch schon eine Idee! Man muss ja auch was haben, um sich für die Zukunft zu motivieren! Sp freu ich mich schon auf den nächsten Trip hierher...


Blick in die Maurienne und rüber zum Col du Glandon
So ging's also den Arc hinab raus aus der Maurienne. Aber bei weitem nicht nur flach, die Landschaft zwischen Fluß und Gebirgsbeginn erwies sich hier und da als nicht undiffizil.

Ein Brunnen lag auf dem Weg, der soviel Druck hatte, dass sein sprudelnder Quell mittels eines Stahlrohrs gezähmt werden musste. Dort "tankte ich auf".

In Aiguebelle schließlich überquerte ich den Arc und fuhr fortan auf der linken Flußseite bis fast zur Mündung in die Isère.

Langsam merkte ich, dass ich mich nach der Heimkehr sehnte. Es waren aber noch gut 50 km zu absolvieren. Also immer frisch voran!

Ein Wunder moderner Brunnentechnik!
Es ging nochmal unter der A43 durch, dann aber kam ich zum "Kreuz von Aiguebelle" (La Croix d'Aiguebelle), wo ich nochmals den Arc wenige hundert Meter vor der Mündung in die Isère kreuzte und dann in Richtung derselben flach Tempo machte.

Nach der Überquerung der Isère und dem Abschied von der wunderschönen Maurienne war ich mir zunächst nicht sicher, nahm dann aber die schnurgerade D1090 nach Nordwesten in Richtung Frontenex, wo ich in den Col de Thamié einsteigen wollte. Ich machte nochmal richtig Druck: 6 km in 10 min (35,6 km/h) mit 250 Watt NP.

Dann ging's in den letzten Anstieg des Tages, den Col de Thamié. Den kann man genau eigentlich gar nicht festlegen, zu variantenreich ist das Straßennetz zwischen dem Tal und der Kreuzung D64/D201C.

Ich wählte die Route Frontenex/Tourrons/Verrence-Avey/Samua, um an erwähnte Kreuzung zu kommen. Es wurde richtig heiß, die Sonne stand hoch am Himmel - 12:30 Uhr. Ich musste schon richtig tief schöpfen, um hier noch hochzukommen und war froh, als ich wenige hundert Meter unterhalb des Cols endlich in bewaldetem, schattigem Gebiet war.

Kurz vorm Col de Thamié - Blickrichtung Albertville
Oben dann sah ich von rechts die Straße herab vom Collet de Thamié kommen - hier war ich vor vier Jahren schon mal herabgekommen.Ich war richtig erleichtert, denn von nun an sollte es nur noch bergab gehen, und ich genoß die letzten 19,3 km bis "nach Hause", die ich auch zügig in 32 min. absolvierte (36,0 km/h).

Gegen 13:20 Uhr war ich dann zurück - genügend Zeit, sich zu duschen, ordentlich zu essen und dann mit dem Auto in die Tarantaise zu fahren, vorbei an der Auffahrt zum Col de la Madeleine und bis nach Bourg d'Oisans, wo wir uns die letzten Attacken in Richtung Schlußanstieg ansahen. Amelie erbeutete dabei sogar drei Bidons, eine davon von Tom Dumoulin! Nach den ersten ca. 100 Fahrern machten wir uns auf den Rückweg in die Stadt, dabei kam ein geschlagener und zutiefst frustrierter Marcel Kittel an uns vobei, für den dies die letzte Tour-Etappe sein sollte. Den Rest der Etappe sahen wir uns in einem Café auf Großbildleinwand an. Ein gelungener Abschluß eines tollen Tages!

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