Dienstag, 17. Juli 2018

TdF 2018 - Col des Aravis



Vorgeschmack auf das Nachmittagsspektakel


Vor die "Etape du jour" haben die Götter den Schweiß gesetzt...


Der Radweg rund um den See kurz vor Talloires - das
gelbe Schild in der Straßenmitte beweist die nahende Tour...
Gestern, als wir am Lac d'Annecy ankamen, hatte die Tour ja Ruhetag und ich fuhr mich quasi ein hoch zum Col de la Forclaz. Heute aber stand eine spektakuläre Etappe auf dem Programm! Die zehnte Etappe führte von Annecy nach Le Grand-Bornand und wir sollten sie uns zweimal ansehen: Kurz nach dem scharfen Start sollte sie nämlich direkt an unserem Campingplatz vorbeikommen, und wir planten auch das Finale in Le Grand-Bornand zu sehen.

Aber der Reihe nach: Morgens wollte ich selbst erst mal noch Teile der Etappe abfahren, aber auch den Col des Aravis überqueren. Der Pass durchschneidet das Aravis, eine Bergkette westlich des Hauptalpenkamms, der höchste Berg dort ist der Pointe Percée (2753 m über N.N.).

Den Statistiken zufolge wurde er vom Tour-Peloton insgesamt 39 mal überquert und steht damit immerhin auf Rang sieben. Damit ist er nach dem Col du Galibier nebenbei bemerkt auch der am zweithäufigsten befahrene Pass der Alpen.

Geradeaus der Col de la Forclaz, links fuhr ich nach Bluffy
Mein Plan war, zunächst der Tour-Strecke zu folgen, aber oben in Talloires nicht - wie das Peleton - links in Richtung Menton-Saint-Bernard abzubiegen und über den Col de Bluffy zu fahren, sondern rechts abzubiegen und über die Route des Dents de Lanfon direkt nach Bluffy einige hundert Meter weniger, dafür einige Höhenmeter mehr einzusammeln, ehe ich die nächsten sieben Kilometer im Tal des Fier bis Thônes wieder der Original-Tourstrecke des Tages folgen würde.

So fuhr ich gegen 06.30 Uhr los, es war schon schön hell, Lampen brauchte ich keine. Die Vorbereitungen für die nahende Tour gingen in die Endphase, vereinzelt waren noch Arbeiter unterwegs, die Schilder markierten, Zäune aufstellten und generell alles taten, damit die Fahrer wenige Stunden später optimale Bedingungen hatten.

Nach 18 Kilometern, ich war schön warm gefahren und hatte schon ca. 240 Höhenmeter eingesammelt, kam ich dann wie geplant auf die D909 im Tal des Fier und fuhr zügig in Richtung Thônes. Bei km 25 verließ ich dann aber das Fier-Tal und auch die Originalstrecke, die ich später wiedersehen sollte, allerdings in umgekehrter Fahrtrichtung.

Im Tal des Fier auf dem Weg nach Thônes
Denn während ich nun ins Tal des Nom einbog, eines Nebenflusses des Fier, und auf dieser Strecke direkt Saint-Jean-de-Sixt ansteuerte, sollte der Tour-Tross später am Tag im Fier-Tal bleiben und über die D16 und den Col de la Croix Fry nach La Clusaz fahren und von dort auf der D909 nach Saint-Jean-de-Sixt hinabkommen, ehe er im Ortszentrum endgültig meine Route verlassen und über Entremont ins Tal der Arve fahren würde.

Ich vermied auf der Straße nach Saint-Jean-de-Sixt auf dem Weg durch Les-Villards-sur-Thônes die Hauptstraße und fuhr lieber durch den beschaulichen Ort durch die Route Du Borgeal, so kam ich erst nach der bebauten Ortslage wieder auf die stark befahrene Strecke, von dort waren's aber nur noch knapp 2 km auf der D909 bis ins Zentrum von Saint-Jean-de-Sixt.

Auf dieser Nebenstrecke durchs Nom-Tal fand offenbar im Vorfeld der Etappe bereits ein Rennen statt - jedenfalls war teilweise die Strecke entsprechend vorbereitet. Ich konnte aber gar nicht herausfinden, was da genau los war, schon war ich im Ortskern und damit am Fuße des Col des Aravis.

Die wunderschöne Nebenstrecke in Les-Villards-sur-Thônes
Ich blieb also auf der D909 und begann wieder zu klettern. Die Fahrbahnteiler, auf die ich zufuhr, und alle anderen möglichen "Sturzziele" waren bereits abgesichert und mit Prallschutz versehen - in einigen Stunden würden die Recken der Tour hier herabrasen, da musste man vorbauen.

Ich hingegen lies es ruhig angehen und machte mich auf die letzten zehn Kilometer bis zum Col. Die letzten knapp 550 Höhenmeter bis dorthin verteilten sich einigermaßen gleichmäßig, hintenraus wurde es naturgemäß etwas steiler, aber alles gut machbar.

Im Nobelskiort La Clusaz sah ich auch die Fahrzeuge des Saarländischen Rundfunks mit SB-Kennzeichen, da musste ich ein wenig grinsen. Das Saarland ist halt überall, und als "Flagship-Station" der ARD ist mein Heimatsender da selbstredend immer im Zentrum des Geschehens.

Unten in La Clusaz
Kurz darauf erblickte ich die Straße zum Col de la Croix Fry, und danach war schlagartig jeder Hinweis auf die Tour weg. Umso schöner dann der Schluss des Anstieges zum Col des Aravis:

Herrliche, saftig grüne Wiesen (die Straße war auch klatschnass, es musste kurz zuvor heftig geregnet haben, aber nun schien die Sonne), herrliche Panoramen, ich überholte einen toll austrainierten Bergläufer, genoss die Serpentinen, wodurch ich abwechselnd gen Col und ins Tal blicken konnte, und erreichte schließlich den Col auf 1.486 m über N.N. nach knapp 42 Minuten Fahrzeit von Saint-Jean-de-Sixt aus.

Das Übliche: Ein paar Fotos, kurze Pause, was essen und trinken, Windjacke an, und dann ab in die Abfahrt ins Tal der Arrondine in Richtung Flumet.

Col des Aravis - Blick auf  "L'Étale" (2.484 m über N.N.)
Nach nur zwei Kilometer stand am Straßenrand ein Wohnmobil aus Luxembourg, voll "aufgeflaggt" und scheinbar in Erwartung irgendeines Ereignisses.

Ich hielt an und rief nach den Besitzern, die kurz darauf den Kopf rausstreckten.

"Vous attendez Le Tour?" fragte ich, und nach dem "Oui!" erklärte ich ihnen, dass sie hier heute definitiv weder Bob Jungels noch sonst einen Tour-Profi sehen würden.

Sie bedankten sich und begannen sofort, ihr Auto für die Weiterfahrt über den Col des Aravis in Richtung La Clusaz vorzubereiten, und ich fuhr weiter, froh, jemandem einen Gefallen getan zu haben - und sicher keinen kleinen!

Blick ins Tal der Arrondine von La Giettaz aus
Weiter bergab ging's, durch den kleinen Ort La Giettaz und weiter ins Tal, nun wurde die Strecke eine Zeitlang flach bzw. es gab sogar eine leichte Gegensteigung zu bewältigen.

Der Fluß floß ca. hundert Meter tiefer und ich fuhr am Hang entlang, die Beine waren gut, und dann ging's auch schon in die Schlußabfahrt in Richtung Tal des Arly.

In Flumet angekommen, kannte ich die Strecke auch wieder - während unseres Tourbesuchs im Vorjahr waren wir hier vorbeigekommen, und früher auch schon mal.

Letztes Jahr aber war die Strecke in den unterhalb gelegenen "Gorges d'Arly" nach einem massiven Erdrutsch gesperrt gewesen.

Nun ging's das Tal hinab - allein eine giftige Gegensteigung brach den Rhythmus- und ich arbeitete an meinem Schnitt, den ich während der elf Kilometer von 22 km/h auf 24 km/h hochtrieb.

Da passte nicht mehr viel dazwischen!
Und das, obwohl mittendrin eine kuriose Begegnung zweier Giganten der Straße den Verkehr vollständig zum Erliegen brachte - zum Glück hatte ich ein Fahrrad und konnte so direkt hinter einem der beiden LKW die Fahrt schnell wieder aufnehmen, diesen überholen und hatte so eine völlig freie Strecke!

Schliesslich kam ich in Ugine an, und genug Körner waren auch noch da, so dass es mir gelang, im zunächst leicht ansteigenden, ab Faverges allerdings dann auch wieder abfallenden Terrain in Richtung Lac d'Annecy nochmal zwei Kilometer auf den Stundenschnitt draufzulegen und schließlich mit einem für mich hervorragenden 26er-Schnitt diese doch anspruchsvolle "Etappe" zu beenden.

Schnell geduscht, was gegessen und dann auf die Tour gewartet. Ich hatte meine Milch für diesen Tag schon gegeben, als kurz darauf Martin, Kittel, Greipel und Co. an mir vorbeifuhren.

Julien Alaphilippe - doch ein wenig schneller als ich...
Eine Stunde danach stiegen wir ins Auto und fuhren, nun mit hervorragenden Ortskenntnissen ausgestattet, zum Finale nach Le Grand-Bornand.

Dort holte sich Julien Alaphilippe mit einem Parforceritt das gepunktete Trikot, das er bis zum Ende nicht mehr abgeben sollte.

Und Greg von Aevermat baute nicht nur seinen Vorsprung im Gelben Trikot aus, sondern bekam sogar die Rote Nummer für den kämpferischsten Fahrer. Es sollte allerdings sein letztes "Halali!" bei dieser Tour gewesen sein...

Morgen dann die "Königsetappe" über den Col de la Madeleine! Nachdem ich in der Gegend schon 2009 und 2011 den Anstieg nach L'Alpe d'Huez, 2013 den Col du Galibier, den Cormet de Roselend und den Col du Petit Saint Bernard und 2014 den Col du Mont Cenis sowie den Col de l'Iseran bezwungen habe, fehlt mir dieser Pass noch in meinem Palmarès der Savoie und Hautes-Alpes. Nicht mehr lange!


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