Samstag, 27. Juli 2013

St. Jean de Maurienne - Col du Télégraphe - Col du Galibier - La Grave


St. Jean de Maurienne - Col du Télégraphe - Col du Galibier - La Grave von joaum bei Garmin Connect – Details

Am letzten Tag unseres wunderschönen Urlaubs am Lac d'Annecy stand heute der radsporttechnisch gesehen absolute Höhepunkt für mich an: Nachdem mein erster Versuch im August 2011 an schlechtem Wetter gescheitert war, wollte ich heute den Col du Galibier bezwingen

Gemeinsam mit dem vorgelagerten Col du Télégraphe und durch die hinter diesem liegende Abfahrt von circa 150 Höhenmetern in die "Zwischenstation" Valloire fordert der fünfthöchste befahrbare Alpenpass stramme 2011 Höhenmeter von jedem Radfahrer ab, der ihn erklimmen will.


Jan-Robin kämpft sich den Col du Télégraphe
hoch, unten das Tal der Arc.
Früh am Morgen wurden die Zelte abgebaut, ausgiebig gefrühstückt, der Zeltplatz ordentlich aufgeräumt hinterlassen und die ca. 85 km lange Anfahrt nach St. Jean de Maurienne im Arc-Tal begonnen.

Dort, am nördlichen Startpunkt des Col de la Croix de Fer, liegt der Campingplatz "Le Camping Municipal des Grands Cols de Saint-Jean-de-Maurienne", ein kleiner, feiner Campingplatz, bei dem ich bereits bei meinem erfolglosen Versuch 2011 genächtigt hatte.

Von dort aus machten Jan-Robin und ich uns auf ins 12 km entfernte Saint-Michel-de-Maurienne, wo der Col du Télégraphe beginnt - etwas einfahren sollte man sich vor den ersten harten Steigungskilometern ja doch.

Für Jan-Robin sollte auf dem Télégraphe dann auch Schluss sein. Sein Trainingsrückstand nach der Verletzung im Frühjahr ließ eine Fahrt auf den Galibier vernünftigerweise nicht zu - und an diesem besonders heißen Tag erst recht nicht.
Vater und Sohn am Col du Télégraphe

Bereits in der Anfahrt merkten wir die doch immense Hitze sehr. Es war kurz nach 11:00 Uhr, und das Thermometer zeigte bereits 36°C.

Betont langsam und vorsichtig nahmen wir daher die Steigung in Angriff. Das war auch schon hart genug: Auf den ersten 7-10 km verlangt der Télégraphe einem schon eine Menge ab, durchgängig steigt er mit 8% gen Valloire und das Hochtal der Valoirette.

Jan-Robin schlug sich tapfer, und mir tat das betont defensive Fahrverhalten auch gut, weil ich wusste, dass bei dieser Hitze der Galibier schon eine ganz andere Hausnummer sein würde.

Der Télégraphe ist besonders im oberen Teil eine echte Augenweide. Nach dem Durchfahren der Tannenwälder windet sich die Passstraße auf den letzten 3 km baumfrei gen Passspitze, und man kann den wunderschönen Blick hinab ins Tal der Arc genießen.

Oben am Pass wartete Doris dann mit den beiden Mädchen auf den jungen Helden, ich machte mich alleine in die ca. 4 km lange Abfahrt nach Valloire.


Immer noch brannte der Planet - auf 1300 m über dem Meer 33°C. Eigentlich war mir die ganze Strecke ja visuell schon durch meine Trainings-DVD auf meinem Tacx-Rollen-Trainer bekannt, sowohl was die Szenerie als auch was den Anstieg an den jeweiligen Stellen angeht.

Aber dann doch live vor Ort zu sein, ist noch einmal etwas ganz anderes. Zum einen ist die ganze Gegend dort oben wunderschön, zum anderen ist es ein Unterschied, ob man wohl temperiert bei 21-23°C Raumtemperatur trainiert oder ob, wie heute, die große Hitze einem die Kraft aus den Beinen saugt.

Aber wie käme ich dazu, mich zu beschweren? Zum einen war die Sicht, insbesondere die Fernsicht, hervorragend, so dass jeder Blick ein Hochgenuß war. Zum anderen war mir auch bewusst, dass mich oben auf dem Gipfel keine unangenehmen Wetterkapriolen überraschen würden.

So machte der Anstieg trotz aller Anstrengungen gleich noch einmal so viel Spaß. Ich hatte Valloire längst verlassen, auch Bonnenuit war schon passiert, und ich befand mich auf der Straße nach Plan Lachat. Die 2.000 Meter über N.N. waren erreicht - immer noch 32°C, Wahnsinn. Hier überholte mich jetzt Doris mit den Kindern, ich wusste, dass sie weiter oben am Berg auf mich warten würden.

Kurz vor Plan Lachat, dort, wo Jan Ullrich die Tour 1998 zu verlieren begann, wurde die Strecke ein kleines bisschen flacher.

Blick von meinem "Erfrischungsplatz" an der Valoirette
hoch auf die erste Rampe hinter Plan Lachat
Man überquert an dieser Stelle zum letzten Mal die Valoirette, und dann beginnt nach Ansicht vieler Experten der Galibier erst richtig: Auf den nächsten 3 km warten zahlreiche Serpentinen und durch die Bank 9% und mehr Anstieg.

Ich nutzte daher die letzte richtige Erfrischungsmöglichkeit und machte kurz an der Valoirette halt, füllte meine Trinkflaschen noch mal mit dem eiskalten, klaren Gebirgswasser und wusch mir ordentlich den Kopf und das Gesicht ab.

So gestärkt und erfrischt nahm ich den letzten Teil des Galibier unter die Räder und fuhr zwei Briten auf, die circa 150m vor mir waren.


Da führte ich die Gruppe noch an. Das änderte sich kurz vor
dem Col du Galibier dann aber doch noch...
Ab circa 5 km vor dem Gipfel fuhren wir dann zusammen. Jasper Hasell und Richard Hopkirk drückten ganz ordentlich aufs Tempo. Nicht ohne Grund: Beide sind ehemalige Rudercracks, Jasper saß im zweiten Boot von Cambridge ("Goldie"), das 2006 das Rennen im Rahmenprogramms des alljährlich stattfindenden "Boat Race" auf der Themse gegen Oxford gewann. Ich kam aber trotzdem ganz manierlich mit, und wir unterhielten uns und machten uns gegenseitig Mut. Das war auch nötig: Auf 2.400m Höhe zeigte das Thermometer immer noch 31°C - brutal. Aber wir traten gleichmäßig, ließen uns ein-bis zweimal von Doris und den Kindern anfeuern und waren mir nichts, dir nichts 1 km vorm Col am Denkmal von Henri Desgrange angelangt.

Das obligatorische Beweisfoto - mitsamt jüngster Tochter...
Der abschließende Kilometer vom Tunneleingang hoch auf die Passhöhe ist mit 11-12% noch mal richtig knallhart - aber uns schoss nun auch das Adrenalin in die Beine und beflügelte uns auf dem Weg zum Tagesziel. Richard und Jasper waren hier gnädig mit mir und reduzierten ihr Tempo ein wenig, damit ich nicht abfiel. Und obwohl die Luft hier schon merklich dünner wurde, kühlte nun doch der aufkommende Wind beträchtlich, man merkte, dass es nun doch einige Grad kühler geworden war. Gut gelaunt und uns gegenseitig beglückwünschend überquerten wir gemeinsam die Grenze zwischen „Frankreich und Savoyen", wie einige Witzbolde es auf die Straße gekritzelt hatten.

 

Das Hochgefühl stellte sich natürlich sofort ein. Meiner Familie beglückwünschte mich, ich bedankte mich bei meinen beiden Mitfahrern, machte einige Fotos, zog eine Jacke an und begab mich gleich in die Abfahrt runter zum Col du Lautaret. Meine Familie fuhr mit dem Auto hintendran her. Die Abfahrt war eine Wonne - nach so viel Anstieg hatte ich mir die aber auch redlich verdient.

Blick auf die herrliche Bergwelt oberhalb des Romanchetals
Am Lautaret angekommen, handelte ich dann noch mit Doris aus, dass ich weitere 11 km bis La Grave durchs Tal der Romanche abfahren konnte, ehe ich dann dort das Rad hinten aufs Auto schnallte und wir weiter nach Dommartin zu unseren Freunden fuhren.

Ich wäre zwar gerne noch bis Bourg d'Oisans abgefahren, aber war meiner Familie so dankbar, dass sie den ganzen Tag mit jeder Menge Stress auf sich genommen hatte, nur um mir einen Herzenswunsch zu erfüllen, dass ich gerne nachgab. Zur Feier gab's auch eine Orangina aus der Reisekühlbox!

Three down, one to go: Nach L'Alpe d'Huez (2009) und dem Mont Ventoux (2010) habe ich nun den dritten der vier heiligen Berge der Tour de France mit dem Rennrad erklommen. Diese Fahrt war bisher eindeutig die schönste und befriedigendste. Nächstes Jahr wird dann auch noch der Col du Tourmalet in den Pyrenäen bezwungen...




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