Charly Gaul, die Zweite!
Nach unserer Premiere 2014 war für Mark, Christian und mich klar, daß wir am Jedermannrennen zu Ehren von Charly Gaul auch in diesem Jahr teilnehmen würden - zu toll war die Veranstaltung, und wir waren richtig "heiß", erstmals als "erfahrene" Recken an den Start gehen zu können. Verstärkt wurde unser Team durch Leander Wappler vom RSC St. Ingbert.
Die Schlachtrösser blicken auf Echternach herab... |
Christian hatte damals viel in die Nachführarbeit investiert und musste später im Rennen dafür zahlen - das wollten wir diesmal vermeiden und platzierten uns früher und damit weiter vorne. Es war eindeutig frischer als letztes Jahr, so dass wir alle mit Ärmlingen fuhren - ich war das Oberweichei der Truppe und hatte auch die Beine eingepackt.
Les 4 étoiles SAAR - Leander, Jörg, Mark und Christian |
Jeder Versuch, die Teamkollegen im Auge zu behalten, war zum Scheitern verurteilt. Ich sah nur noch farbige Trikots, bekam mit, dass Christian ganz gut wegkam, und trat wie alle gleich mal voll an. Die "Côte de Berdorf" überwindet auf 4 km 201 hm bei einer Maximalsteigung von 8,1% (im Schnitt 5,0%), es fühlte sich aber viel härter an. Mit 165 bpm hatte ich mittendrin meinen Maximalpuls im ganzen Rennen!
Blick am Start nach vorne... |
Trotzdem schaffte ich es irgendwie - und gar nicht mal so schlecht. 20,2 km/h im Schnitt, wie ich später auf Strava sah, knapp 30 sec. hinter Christian, aber leider ziemlich allein, so dass ich auf dem Bergsattel erstmal sammeln gehen musste, um so etwas wie zumindest eine kleine Gruppe zu bekommen.
Es ging aber gleich wieder runter ins Tal der schwarzen Ernz, eines Nebenflußes der Sauer, an die wir kurz darauf gelangten - nunmehr mit einer vernünftigen Gruppe von ca. 25 Fahrern, zu denen auch Mark und Leander mittlerweile aufgeschlossen hatten.
... und nach hinten |
Mittlerweile waren ca. 30 km absolviert, wir hatten mittlerweile ein schön großes Verfolgerfeld mit echt guten Fahrern vorne, die richtig Dampf machten, als wir durchs Sauertal brausten. Von Grundhof, wo die schwarze Ernz in die Sauer mündet, über Dillingen und Wallendorferbrück, wo die Our in die Sauer mündet, bis Bleesbruck absolvierten wir 15,7 km in 24:30 - ein Schnitt von 39 km/h. Ich rutschte in der Reihe immer weiter nach vorne, jeder führte so 500 Meter, und irgendwann war ich dann halt auch dran, zumal sich zwei, drei vor mir verpissten. Das ging mir dann aber doch gegen die Ehre, und so gab ich an der Spitze des Feldes für 500m alles, danach kam ich mir vor wie erschossen und lies mich weit nach hinten fallen, wo ich Mark und Leander wieder fand.
Weiter, immer weiter... |
Wir fuhren nun auf der CR353 die Blees hoch, einen Nebenbach der Sauer, es wurde wie gesagt langsam ein bisschen steiler und auch ruhiger im Feld. Zumal auch schattig - eine willkommene Abwechselung, vorher hatte die Sonne schon kräftig geschienen. Ich war eindeutig zu warm an. Je weiter wir uns in die Steigung hineinarbeiteten, umso mehr Spaß machte es mir. Ich war nun im Rennen "angekommen"!
Oben in Gralingen hatte ich die Steigung im Schnitt mit 26 km/h bewältigt - ich sah Mark und Leander etwas weiter hinten, kurz darauf kamen wir wieder zusammen, aber oben ging's über Merscheid und Hohscheid mit der Côte No. 3 (1.300m lang, 83 hm, 6,4% im Schnitt, 8,3% in der Spitze) noch ein wenig wellig weiter, ehe es in die Abfahrt wieder runter ins Sauertal ging. Wir waren nun auf der N27 unterwegs und bewegten uns saueraufwärts - aber nur für wenige km. Dann kam die nächste Steigung...
Die "Côte de Bourscheid", die vierte von 13 Steigungen, ist die mit Abstand härteste des ganzen Rennens. Auf 3.500 m Länge müssen 252 hm überwunden werden, 7,2% im Schnitt, in der Spitze 10%. Später in Oberglabach kamen zwar 16,7% Spitzensteigung, aber da handelt es sich nur um einen kurzen Stich. Die hier tat richtig weh, und unser Feld flog auch richtig auseinander.
Ich sah zunächst noch Mark und Leander weiter hinten, dann nur noch Mark, und am Ende der Steigung keinen der beiden mehr. Warten, fahren? Ich ließ die erste Verpflegungsstation liegen - ich wollte unbedingt zu Christian aufschließen und oben auf der Höhe fand ich zwei kompetente Mitstreiter, die mir echt halfen, zumal ich hier ein kleines Tief hatte.
Immer tolle Straßen, und auch schöne Ausblicke... |
Ich dachte mir, wenn ich nur mal zu Christian aufschließen könnte, könnten wir dann zusammen auf Mark und Leander warten. Also kämpfte ich mich mit den beiden Jungs weiter vor, was angesichts des Gegenwindes auf der Höhe nicht einfach war. Zudem war ich echt zu schwach, um zu führen, und "lutschte" in dieser Phase hemmungslos, wofür ich mich auch entschuldigte. Aber meine beiden Kollegen grinsten nur und meinten: "Fahr mit!" Wir sahen ca. 200m vor uns eine größere Gruppe, alle mit den gleichen Trikots, die wollten wir unbedingt kriegen.
Ich war so konzentriert, dass ich völlig übersah, dass irgendwo dort oben Christian Defekt gehabt haben musste - das fand ich erst später raus. Nach einem epischen Kampf über fast 12 km hatten wir uns endlich an das aus fünf Mann bestehende holländische Team, das man nun als Team "Vooghel" erkennen konnte, rangekämpft und genossen erstmal den Windschatten.
14 km bei Gegenwind, welligem Terrain, und das mit einem Schnitt von 32,2 km/h - das hatte echt Kraft gekostet, ich freute mich wie ein kleines Kind über den Windschatten und die bevorstehende Abfahrt. Die war technisch anspruchsvoll - es gab immer wieder kleine Gegensteigungen, die wir aber alle gemeinsam überwanden und in der nun 12-14 Fahrer starken Gruppe zusammen fuhren. Über Wahl, Vichten und Bissen ging es hinunter nach Cruchten und damit ins Tal der Alzette.
Zwei allein auf weiter Flur... |
Bis zur nächsten Côte nach Roost, 1.300 m bei 75 hm (5,8% im Schnitt, Spitze 9,1%) fuhren wir immer noch einen Schnitt von über 35 km/h entlang der Alzette - und wir hatten ja auch immerhin schon 100 km in den Beinen, als wir am fünften Anstieg ankamen. Hoch nach Roost hatte ich dann aber auch meinen zweiten Durchhänger, und meine Flasche war fast leer. Zum Glück ging es manchem in der Gruppe ähnlich, und wir fuhren eher gemächlich hoch.
Kurz vor der zweiten Raststation in Angelsberg |
Wir fuhren zusammen zur zweiten Raststation nach Angelsberg, wo ich dann doch haltmachte, meine Flasche auffüllte, was aß und nach Mark, Christian und Leander Ausschau hielt. Nach nicht mal zwei Minuten waren Mark und Christian auch da, Leander leider nicht, aber das war ja auch so abgesprochen - er würde, falls es nicht mehr geht, einfach sein Tempo fahren, hatte er vorher gesagt. Ich war jedenfalls froh, dass unser Team weitestgehend wieder vereint war.
Vor der Côte de Graulinster |
Durch Reuland gings wieder bergab ins Tal - wir waren wieder an der schwarzen Ernz, wie schon zu Beginn des Rennens, aber nun einige Kilometer flußaufwärts.
Ca. 40 km lagen noch vor uns, die letzten 10 davon flach. Jetzt wartete die Côte de Graulinster, der neunte der 13 Anstiege. Die war aber harmlos bei 2.400 m und 82 hm, 3,4% im Schnitt, 4,4% in der Spitze.
Letztes Jahr waren wir hier runtergefahren, auf den ersten 15 Rennkilometern, und dann weiter durchs Tal der weißen Ernz bis Heffingen! Jetzt ging's eben hoch.
Ich konnte und wollte als einziger von uns drei noch richtig berghoch fahren, aber wartete auf Mark und Christian, als ich merkte, dass die sich einteilten. War auch für mich wohl besser. Leichte Krämpfe merkte ich auch schon, wenn auch nicht so schlimm wie letztes Jahr.
Mark und Christian an der Côte de Zittig |
Ab dem Ende der Côte de Zittig kannten wir die Strecke - ab hier, durch Bech in Richtung Berbourg, waren wir letztes Jahr auch entlanggekommen. Fünf Kilometer lang bewegten wir uns also auf bekanntem Terrain, wiewohl das einen schon vorher verwirrte - mehr als einmal sahen wir uns an und sagten: "Hier sind wir doch letztes Jahr schon vorbeigekommen!", obwohl das meist gar nicht stimmte...
Kurz danach Anstieg Nr. 11 - die Côte de Berbourg aus dem Ort heraus war mit 1.000 m ein bisschen kürzer, mit 59 hm (5,9% im Schnitt, 7,7% in der Spitze) aber auch leicht steiler.
Die Côte de Herborn war dann harmlos. 2.600 m, nur 60 hm, 2,3% im Schnitt, 6,0% in der Spitze - das war eigentlich keine richtige Côte.
Wir fuhren locker hoch und dann hinab nach Osweiler, von wo aus dann der letzte Anstieg auf uns wartete - die Côte d'Osweiler hatte es nochmal in sich. 1.300 m, 80 hm, 6,1% im Schnitt, 7,9% Spitzenwert.
Am letzten kleinen Stich in Girst |
Nun galt es, sich eine manierliche Gruppe zusammenzusuchen, was sich aber als schwierig gestaltete. Wir waren zunächst zu sechst, und keiner wollte so richtig fahren. Also übernahmen Christian und ich die Initiative, einen, der abhauen wollte, fing ich ein, und dann fuhren wir in Zugformation in Richtung Rosport - Steinheim - Echternach. Einer vom Team Vooghel, das mir zwischenzeitlich so hilfreich war, war noch dabei, die Nr. 197, Albert Beijen.
Leider waren zwei Mitfahrer ziemlich fertig und konnten überhaupt nicht führen, aber zwei andere waren dafür richtig gut, und wir wechselten uns ab. Ich konnte, wenn ich vorne war, immer noch 40 km/h drücken und musste teilweise schon rausnehmen, damit die Gruppe zusammenblieb - da fühlte ich mich richtig stark. Das Adrenalin tat sein übriges. Ich fuhr dann auch mal längere Intervalle. Zwei sammelten wir noch ein, mit sechs wechselten wir uns mit Führung ab - das klappte ganz gut. 700m vor dem Ziel war ich dann vorne, gab nochmal richtig Gas, blickte mich um und sah, dass ein Loch gerissen war.
Im Ziel! |
Im Ziel war ich sehr zufrieden: Gegenüber 2014 hatte ich meine Trittfrequenz um acht gesteigert (89 statt 81), war im Schnitt sogar 0,1 km/h schneller, obwohl die Strecke viel schwerer war (fast 350 hm mehr!) und auch lange nicht so kaputt. Lag aber vielleicht auch an den Temperaturen: Das Thermometer schwankte heuer zwischen 9 und 16 °C, während letztes Jahr zwischen 14 und 23°C gemessen wurden.
Nach dem Rennen wurde noch ein bisschen gefeiert... |
Nachdem Mark und Christian vom Duschen zurück kamen, tranken wir noch unser rituelles Zielbier und aßen die Rennwurst. Dann ging's heimwärts. Mark fuhr mich noch nach Bickendorf, wo meine Frau und die Kinder mich wenige Minuten später, aus Schönecken kommend, aufschnappten.
Wie schon letztes Jahr, war "La Charly Gaul" ein echtes Erlebnis. Ich freu mich jetzt schon aufs nächste Jahr - dann vielleicht mit einem etwas größeren Team, falls das klappt.
Wie schon letztes Jahr geht ein herzlicher Dank an den ACC Contern und alle freiwilligen Helfer um den und am Kurs, die eine solche tolle Veranstaltung möglich machen!
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