Samstag, 3. Juni 2017

#granfondo_2017_08 Verdun-sur-le-Doubs - Dommartin



Der Rest vom Schützenfest!

Die letzten 138 Kilometer meiner Fahrt zur Kommunion meines Patenkindes Alexis

Die Kirche in Baudrières
Was ich gestern begonnen hatte, vollendete ich heute. Gegen sieben Uhr wachte ich - auch ohne Wecker - nach einer Nacht tiefen und erholsamen Schlafes in meinem Hotelzimmer in der "Hostellerie Bourguignonne" auf, trocknete die Radklamotten, die nach der Wäsche gestern abend noch nicht zu 100% trocken waren, mit dem Fön und machte mich startklar - fürs Frühstück.

Das war reichlich und schmeckte vorzüglich, und so konnte ich um kurz nach neun Uhr den Rest der Strecke nach Dommartin in Angriff nehmen.

Der Plan versprach wenig Spektakuläres -  es sollte durch die Bresse gehen, eine natürliche Landschaft und ehemalige Provinz in Ostfrankreich von fast 4000 km², die sich von den Dombes im Süden bis zum Doubs im Norden und von der Saône im Westen bis zum Jura im Osten erstreckt. Sie hat in Nord-Süd-Richtung eine Ausdehnung von rund 100 km und in Ost-West-Richtung von etwa 40 km. Die Bewohner der Landschaft werden Bressans genannt (beziehungsweise die weiblichen Bewohner Bressanes).

Ein leckeres Frühstück erleichterte mir den Einstieg in den Tag
Im Wesentlichen ist die Bresse eine Ebene etwa 180 bis 220 m über dem Meeresspiegel mit einer leichten Neigung nach Westen. Die wichtigsten Flüsse, alles Nebenflüsse der Saône, sind die Seille, die Veyle und die Reyssouze - alle drei sollte ich im Lauf des Tages überqueren.

Die Landschaft neigt sich leicht nach Westen, der Saône zu - für mich bedeutete das relativ flaches Terrain, nur einigermaßen profiliert durch die Täler und Kämme zwischen den Flüssen und Bächen. Es rollte aber von Anfang an gut, trotz leichtem Gegenwind. Mein Sitzfleisch war noch belastbar - allerdings hatte der Gewaltritt von gestern doch seine Spuren hinterlassen, und ich fuhr öfter im Wiegetritt, als ich das eigentlich vorgehabt hatte...

Auf der rechten Seite, im Westen, sah man die Berge das Burgund - Chalon-sur-Saône konnte ich in der Ferne erahnen, ebenso wie später Mâcon.

An der Seille
Ab Simandre, so ab km 36, wurde die Strecke schnurgerade und wandte sich genau gen Süden. Der Gegenwind war spürbar, und in der Ferne sah ich erste Gewitterzellen. Bisher war ich ja vom Regen komplett verschont geblieben - sollte da so bleiben?

Nach 50 km überquerte ich die Seille, und nun hatte ich das Departement Saône-et-Loire verlassen und war im Departement "Ain", benannt nach dem gleichnamigen Fluss.

Zehn Kilometer später ging's über die Reysouzze, und das einzige Zwischenziel, das ich mir für heute gesetzt hatte, rückte langsam näher: Bâgé-le-Châtel ist ein kleines Dorf auf einer Anhöhe, das besondere daran ist der schöne, konzentrisch angelegte Dorfkern mittelalterlicher Herkunft mit einigen Resten der Stadtmauer und zwei Wachtürmen aus rotem Backstein.

Ortsmitte von Bâgé-le-Châtel
Also ich dort ankam (75 Kilometer hatte ich abgerissen, und der Schnitt war 27,9 km/h), suchte ich zuerst mal eine Gaststätte auf, um mich mit einem panaché (natürlich alkoholfrei!) zu erfrischen.

Und da passierte es: Beim Versuch, meine leicht verrutschte Satteltasche richtig zu justieren, flog mir die Halterung komplett auseinander. Ich sah auch, warum: Halterung und Tasche sind mit zwei Plastikdübeln verbunden, nur einen fand ich, den erkannte ich aber - genau so einen hatte ich gestern im Hotelzimmer gefunden und mich noch gewundert, was das sei. Natürlich hatte ich ihn nicht mitgenommen. Das wäre ja auch zu einfach gewesen.

Mist! Alle Versuche, die Halterung mit nur einem Dübel zusammenzubauen und wieder anzuflanschen, scheiterten. Aber der nette Wirt versorgte mich mit Schießdraht und einer Zange, und so konnte ich mir ein Provisorium basteln. Das kostete mich eine halbe Stunde Zeit.

Mit Schießdraht kann man alles flicken!
Als ich wieder vor die Kneipe trat, hatte sich die Wettersituation komplett verändert: Vor mir eine Gewitterzelle, hinter mir eine, und plötzlich kam der Wind von Norden - das hieß, ich hatte plötzlich Rückenwind!

Davon beflügelt, erhöhte ich das Tempo auf dem Weg zur Saône. Bei km 81 überquerte ich die Veyle, das Durchschnittstempo stieg auf 29,1 km/h, aber die Gewitter rückten immer näher.

Ich überwand den einzigen echten Hügel auf dieser Seite der Saône und kam durch Montmerle-sur-Saône, der Ort hat neben dem Berg auch eine Insel in der Saône zu bieten. 105 km waren absolviert.

Das Gewitter drohte nicht nur am Horizont - es kam auch
Auf dem Weg nach Jassan-Rottier erwischte mich der Regen dann doch, mehr noch: Als er zunahm, riss auch noch der Schießdraht zum ersten Mal, und ich mußte nach dem Schreck, weil ich aufgrund des Geräuschs der auf den Reifen fallenden Satteltasche schon glaubte, ich hätte einen Platten, auch noch notdürftig die Drähte neu verrödeln. Danach suchte ich mir einen Unterschlupf in einem Bushäuschen - weiterfahren war fast unmöglich, so stark war der Regen. Es wurde dunkel, man meinte, die Welt ginge unter. Aber wie das mit Weltuntergängen so ist - sie dauern meist nicht lange!

Nachdem der Regen abklang, suchte und fand ich die Brücke über die Saône bei Saint-Bernard, und nachdem ich den Fluss zum dritten und letzten Mal überquert hatte, war ich schon fast auf der Zielgeraden. Ich unterquerte die Autobahn und erkannte das Signe infini der berühmten Künstlerin Marta Pan, das ich schon so oft gesehen hatte und das mir unmissverständlich klar machte, dass ich bald da war.

Dritte und letzte Saône-Querung bei Anse
Es hatte wieder ein wenig stärker angefangen zu regnen, aber das machte jetzt auch nichts mehr aus. Ich fuhr auf der linken Uferseite der Azergues flussaufwärts und dann hinunter über den Fluss nach Civrieux-d'Azergues, von wo aus ich die letzte, hammerharte Steigung (mit ca. 30 Höhenmetern auf 300 Metern, also 10%) nach Dommartin in Angriff nahm.

Als ich oben war, war ich einfach nur noch glücklich. Der letzte Kilometer durch den Ort bis zu Anne, Pascal und den Kindern war ein Klacks.

Kurz nach 15 Uhr war ich dann da. Nach fast 5 Stunden Fahrzeit heute (18,5 insgesamt), einen Schnitt von 28,1 km/h (der Regen und das wellige Terrain am Schluß hatten noch ein wenig am Durchschnittstempo genagt) und insgesamt 518 km an zwei Tagen hatte ich mein Ziel erreicht. Bis auf das lapidare Malheur mit der Tasche keine Panne, kein einziger "crevaison" (Platter) - ich hatte wirklich Glück gehabt!

Mein Patenkind und ich
Alle freuten sich sehr, vor allem Alexis, und ich musste viel erzählen. Kurz darauf war auch meine Familie da, die mit dem Auto angereist war.

Und abends war auch schon die Messe in der Kirche von Dommartin - ein wunderschöner Gottesdienst, fünf Kinder aus Dommartin gingen zur Kommunion, Alexis war der Hahn im Korb neben vier Mädchen!

Wir verbrachten zwei schöne Tage, hatten eine tolle Kommunionfeier und kehrten Sonntagsabends spät sehr glücklich zurück.

So was mach ich sicher nochmal! Die Fahrt war unbeschreiblich schön. Wie eingangs bereits erwähnt: Frankreich so zu erleben, ist etwas, was man mit Geld nicht kaufen kann. Ich hab schon einige Pläne im Kopf. Auf ein Neues!

Epilog:

Heute, am 23.06., erhielt ich Post von der Firma Ortlieb, dem Produzenten meiner Satteltasche. Ich hatte diese einige Tage nach meiner Rückkehr (am 13.06.) mit der Bitte um kulante Reparatur eingeschickt. Die Tasche ist wieder voll funktionsfähig, die beiden Spritzgussteile eingesetzt, alles wieder gut. So geht Kundendienst. Dickes Lob!




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen