Sonntag, 21. Mai 2017

#granfondo_2017_05 Schmelzer Möve-Marathon

 

Ein Sonntag voller Rekorde!

Der Ritt am Sonntag über Höhen und Tiefen der Täler von Saar, Prims und Ruwer war die längste Eintagesradfahrt, die ich je gemacht habe. Auch wenn ich gedenke, diesen Rekord am 02.06. zu brechen, und das signifikant (mehr dazu in einem späteren Blog), bleibt der Schmelzer Radmarathon doch in jeder Hinsicht ein Meilenstein für mich als Radfahrer: Ob ich jemals wieder mehr als 200 km mit mehr als 3.500 Höhenmetern schaffe, und das auch noch in einem Schnitt über 28 km/h, weiß ich wirklich nicht.

Mit Markus und Roman an der schönen Aussicht bei Scheiden
Von den wunderschönen Eindrücken, vor allem landschaftlich, aber auch kameradschaftlich, will ich Euch auch berichten.

Zunächst einmal zu den vielfältigen Angeboten der saarländischen Radsportvereine: Eine CTF (Country-Touren-Fahrt) oder RTF (Rad-Touren-Fahrt), also ausgezeichnete und mit Kontroll- und Versorgungspunkten versehene Radtouren für Mountainbike, Rennrad oder "Mischformen" (also auch Pedelec und E-Bike) gibt es während der Saison im und um das Saarland, aber auch bundesweit, fast jedes Wochenende bzw. an den einschlägigen Feiertagen.

Das sind keine Rennen, es wird auch nach StVO gefahren, aber Punkte kann man schon sammeln, wenn man eine Wertungskarte hat, und am Ende der Saison vielleicht sogar einen Pokal, in jedem Fall aber viel Respekt und Anerkennung in der Community, gewinnen. Mehr Infos dazu gibt's hier. An den insgesamt sechs Kontrollpunkten des Schmelzer Marathons konnte man auch gestern wieder erleben, was das heißt: Freundliche, radsportbegeisterte Ehrenamtler, die ganztägig für die Matadore Brote schmieren, Riegel und Kuchen kredenzen, Getränke vorbereiten und hier und da auch mal als Mechaniker zur Verfügung stehen. Toll!

Blick zurück auf Zerf im Ruwertal
Der Schmelzer Marathon ist legendär und gilt als "Gold Standard" unter den saarländischen RTF-Veranstaltungen. Ihn wollte ich schon immer mal fahren - auch, um beim Stadtradeln, das gestern begann, für meine Stadt ein bißchen was aufs Konto zu bringen. Eigentlich war der Plan, morgens aus Neunkirchen mit dem Rad nach Limbach zu fahren, den 202-km-Marathon zu absolvieren und danach wieder mit dem Rad die Heimreise anzutreten. Ganz so weit kam's dann doch nicht. Aber dazu auch später mehr.

Verabredet war ich mit Markus und Roman, zwei Sportkameraden, die ich teilweise persönlich (Markus), teilweise virtuell (Roman), schon länger kenne. Beides Jungs, die "lang und hart" gut kennen und können, wovon ich mir für mein eigenes Überleben an diesem Tag einiges versprach. Das klappte auch, aber nicht ohne Tücken. Auch dazu später mehr...

Auf dem Dreikopf (500 m): Blick nach Trier und in die Eifel
Um 05.00 Uhr klingelte der Wecker. Argh! Ich hab gelernt, dass es wichtig ist, dann sofort aus dem Bett zu springen, denn wenn man sich's überlegt, hat man meist verloren. Also raus, ab ins Bad, kaltes Wasser ins Gesicht und ab an die Kaffeemaschine! Am Abend davor hatte ich mir schon alles an Klamotten, Futter, Technik (Garmin mit Karte)  und Verwaltungskram (Breitensportwertungskarte) zurechtgelegt, und auch das Rennrad stand mit geschmierter Kette und neuen Reifen (Schwalbe Pro One Tubeless mit 7 bar Druck) abfahrbereit da.

Um 05.50 ging's dann auch pünktlich los, und ebenfalls pünktlich um 06.20 Uhr traf ich Markus und Roman am Treffpunkt in Illingen bei der Burg Kerpen. Gemeinsam ging's das Illtal hinab, die beiden wechselten sich in der Führung ab, ich kam gar nicht nach vorne! Darauf hatte ich ehrlich insgeheim gehofft. Was ich nicht erwartet hatte, war das Tempo, das die beiden in den Asphalt brannten. Windschatten fahren ist ja ok, aber bei 35-40 km/h im flachen/leicht abschüssigen Terrain kostet auch das Kraft. Zudem war es bitterkalt - auf den Höhen bei Neunkirchen, Spiesen, Bildstock und Merchweiler wenigstens noch 4-5° C, aber im Illtal nur noch um die 1°C. Brrrr!

Ab und an blieb Zeit für ein Selfie...
So waren wir aber flugs im Theeltal, und das Saubachtal hoch auf dem Weg nach Limbach nahmen wir auch ein wenig den Druck vom Pedal, so dass wir gegen kurz nach 7 Uhr dann auch am Start ankamen. Die Einschreibung ging dank scan & bike schnell wie immer, Peter, mein Neunkircher Kollege, der uns eigentlich dort treffen wollte, war allerdings schon seit 30 Minuten auf der Strecke - er war früh wachgeworden und wollte dann auch los, wie er mir später erzählte. Dafür trafen wir mit Sebastian, Christoph, Bernd und Maurice und einigen anderen auf eine Gruppe RTF-Cracks, mit denen wir dann gemeinsam auf die Strecke gingen.

Und die Truppe legte primsabwärts hinab gleich mal ein brutales Tempo vor. Die ersten 20 km bis nach Dillingen wurden in einem 37er-Schnitt abgebrannt, auch danach wurde es kaum langsamer. Es ging dann durchs Haustadter Tal vorbei an der ersten Kontrollstelle hoch nach Reimsbach und Oppen, dann über Noswendel und Losheim hoch nach Scheiden zur schönen Aussicht und dem zweiten Kontrollpunkt. Christoph und ich mußten schon ab Noswendel den Zug fahren lassen, aber fanden dann unser Tempo und trafen die anderen ja dann auch wieder.

Kurze Pause im Anstieg aus dem Ruwertal hinaus
58 km waren absolviert, 1:54h auf der Uhr - immer noch ein Schnitt jenseits der 30 km/h. Jesses! Eigentlich wollte ich den Marathon so mit 26 km/h im Schnitt angehen, aber mit dieser Truppe war das kaum denkbar. Lauter Schlachtrösser, die kein Erbarmen kannten - auch nach der Abfahrt nach Waldhölzbach und Rappweiler legten sie hoch nach Weiskirchen und zum bis dahin höchsten Streckenpunkt an der Landesgrenze zwischen dem Saarland und Rheinland/Pfalz (ca. 640 m über N.N.) nur die großen Gänge auf. Zum Glück zog mich Christian, der mittlerweile zu uns gestoßen war, hier hoch.

Auf der langen, schnellen Abfahrt durchs Ruwertal nach Zerf (340 m über N.N.), wo ich auch die 100 km für den Tag vollmachte (immer noch mit einem Schnitt von 30,3 km/h!) fanden wir uns aber alle wieder, und dann ging's entlang der linken Talseite hoch auf den Grat zwischen Ruwer- und Saartal.

Die Truppe bei der zweitletzten Rast in Börfink
Baldringen, Hentern, Paschel - da kommt man sonst eher selten hin. Landschaftlich allerdings ein Traum. Oben auf dem Dreikopf, 500 m über N.N., kann man bis Trier und in die beginnende Eifel sehen. Dann ging's runter nach Ollmuth zur dritten Kontrollstelle, und gleich weiter runter nach Pluwigerhammer ins Ruwertal, wo dann die längste und härteste Steigung des Tages begann.

Von ca. 330 m über N.N. hoch auf 660, etwas über 8 km lang, 5% Steigung im Schnitt, 11% in der Spitze. Dann waren wir oben und fuhren wieder ab in Richtung Ruwertal nach Kell am See - dabei fuhr ich mit 77 km/h auch meine Tageshöchstgeschwindigkeit. Sebastian überholte mich da sogar noch in "Top Tube Safe"-Position, wo man zusammengekauert mit der Sattelspitze im Rücken auf der Stange sitzt - nix für mich, das trau ich mich einfach nicht.

Letzter Anstieg nach Dörsdorf bei km 232
Aus Kell heraus ging's nochmal quer über die Hunsrückhöhenstraße und dann runter ins Wadrillbachtal, und nach einem kurzen Zwischenanstieg nach Grimburg dasselbe runter nach Wadrill-Gehweiler zur vierten Kontrollstelle. Und wie immer voller Druck auf dem Pedal, auch und gerade in den Abfahrten. Keine Gnade für die Wade! Eigentlich hatten wir ja anderes vorgehabt, und mit nur ca. 600 Rennradkilometern für 2017 in den Beinen war das hier auch definitiv eine Spur zu hart für mich. Ich konnte den Jungs aber nicht böse sein, dass sie sich anstecken ließen.

Hinter Gehweiler, wo uns Christian verließ, spannte sich Roman dann vor und fuhr zum Glück ein Tempo, wo ich noch halbwegs folgen konnte. Der Aufstieg zunächst nach Nonnweiler, dann nach kurzer Abfahrt und folgendem Stich durchs Primstal der nächste in Richtung Erbeskopf forderte mich aber wieder ziemlich. Hier entschied ich mich dann auch, von meinem ursprünglichen Vorhaben, nach Beendigung des Marathons nochmal heimzufahren, Abstand zu nehmen. Entweder würde ich mich abholen lassen oder mit jemandem mitfahren, der nach Neunkirchen fahren würde. Der Aufstieg aus Nonnweiler-Otzenhausen über Neuhütten, Züsch (man durchquert hier das Bachtal des Altbachs, der den rechten Arm des Stausees in Nonnweiler speist, die Prims speist ja aus Damflos kommend den linken) und vorbei an Mulch, immer entlang der Ostflanke des Erbeskopfs lag mir zwar wieder etwas besser, aber die Beine wurden schon schwer.

In Börfink bei Kontrollstation fünf stand mein Entschluss dann felsenfest. Wir machten während der etwas längeren Pause jede Menge Witze, die Stimmung in der Truppe war prächtig. Danach ging's vorbei am Eingang des "Bunker Erwin", wo ich die Jungs dann mit einer kurzen Geschichtsstunde nervte, anstatt wie üblich mit Vorträgen über Hydrogeographie deren Geduld zu strapazieren. Dann kam Thranenweiher, und dann der Abzweig rechts ins Tal des Hambachs, vorbei an Schwollen. Mit der Rechtsabbiegung und der Anhöhe 500m danach hatten wir auch den höchsten Punkt der heutigen Runde erreicht. Sowohl die Abfahrt nach Kell früher am Tag wie auch die Auffahrt durch Börfink kannte ich aus einer schönen Fahrt vor drei Jahren, nur halt jeweils umgekehrt. Die Gegend hier war mir aber jetzt neu.
Markus und Roman auf dem Heimweg in Gresaubach

Die Jungs waren mittlerweile gnädig mit mir geworden und drückten nicht jede Zwischensteigung voll durch. So kam ich einigermaßen mit. Nach mittlerweile 200 km für mich bzw. 160 für die Marathonrunde war der Schnitt immer noch fast 29 km/h! Ich sehnte die letzte Rast in Kastel herbei, und kurz danach kamen wir nach einer erholsamen Abfahrt durch Schwarzenbach, unter der A62 durch und durch Braunshausen in Kastel an.
Ich rief meine Frau an und bat um deren Taxidienste bei Ankunft in Limbach, aß die gefühlt zwanzigste Banane, den gefühlt dreißigsten Riegel und die gefühlt zehnte Schnitte, nachdem ich meine 0,8-Liter-Trinkflasche zum sechsten Male aufgefüllt hatte. Außerdem hatte ich an den anderen Raststationen locker 2 Liter getrunken. Hört sich alles viel an, aber bei geschätzt 6.000 kcal ist das ein einfaches Rechenbeispiel: Wenn man Energie verbraucht, braucht man Brennstoff.

Und da komme ich wieder mal zu einem Punkt: In der Community, ob im Internet oder in der Gemeinschaft der Vereine, wird allen Ernstes über die angeblich mangelnde Attraktivität der RTF/CTF-Veranstaltungen unter dem Gesichtspunkt des Preis-/Leistungsverhältnisses diskutiert ("Warum soll ich Geld bezahlen für eine Strecke, die ich auch so fahren kann?" oder "Immer nur Bananen, Riegel und das ewig gleiche Gesöff!").

Da krieg ich ehrlich gesagt Pickel. Abgesehen davon, dass es zum Glück immer noch Leute gibt, die das Wochenende für Kontrollfahrten, Be- und Entschilderung, Aufbau von Versorgungsstationen, ganztätiges Broteschmieren, Obst- und Riegelschneiden, Getränkezubereiten u.ä. opfern, und denen ich dafür nur herzlichst Danke sagen kann - das Preis/Leistungsverhältnis einer RTF/CTF ist ungeschlagen günstig. Und es gibt auch Veranstaltungen wie in Oberbexbach (CTF) und Pirmasens (RTF), die für ihr warmes Essen berühmt sind. Wem das zuviel ist, dem ist nicht zu helfen. Bei semi- und vollprofessionellen "Gran Fondo"-Veranstaltungen zahlt man ein Vielfaches, und die Qualität der Versorgung ist auch nicht besser, selbst wenn man am Ende eine Urkunde nebst Zeitmessung bekommt. Ich hab solche Veranstaltungen auch schon mitgemacht, und sie haben sicher ihre Daseinsberechtigung, aber wenn man wie ich heute 12,- € bezahlt und dafür sich sechs mal den Bauch so richtig vollschlagen kann, ist das günstiger einfach nicht darstellbar. Wem das zuviel ist, der soll zuhause bleiben oder auf eigene Rechnung durch die Gegend fahren. Spätestens nach der zweiten Pause in irgend einem Café hat er die Kosten "negativ" raus.

Wir fuhren jedenfalls satt und zufrieden hinab nach Primstal, dann das Imsbachtal hinauf bis Theley und über Hasborn hoch nach Dörsdorf. Auch das klappte noch recht gut, auch oder weil die Jungs es nun etwas ruhiger angehen ließen. Und für mich ein besonderer Zeitpunkt, denn mit dem Verlassen der Ortslage von Hasborn-Dautweiler hatte ich 230,1 km auf dem Tacho und damit meinen alten Rekord endgültig übertroffen! Dann waren wir in Dörsdorf, und schon kurz danach kam Scheuern auf der letzten Abfahrt das Bohnental hinab, durch Dorf (das Dorf heißt wirklich so, wenn auch mit dem erklärend-veredelnden Zusatz "im Bohnental") nach Limbach zum Ziel.

Im Ziel traf ich Peter, der mir anbot, mich nach Neunkirchen mitzunehmen, so konnte ich meiner Frau abtelefonieren und ihr den Weg sparen.

Ich war richtig zufrieden, aber selbst die größten Versprechen ("mir mache aach langsam!", die schlimmste Radfahrer-Lüge von allen) von Roman und vor allem Markus, der mit Engelszungen versuchte, mich zur Mit-Heimfahrt zu überreden, fruchteten nicht.

So kam ich wenig später müde, aber glücklich mit Chauffeur zuhause an. Danke an alle, die mitgefahren sind, und vor allem an die vielen Helfer des RV Möve Schmelz, die diesen Tag zu einem unvergesslichen zu machen halfen! Und die ersten 239 km sind auch auf dem Stadtradeln-Konto...










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