Montag, 8. September 2014

25éme CHARLY GAUL

25éme CHARLY GAUL von joaum bei Garmin Connect – Details


Es ging mir ziemlich gegen den Strich, dass sie mich den "Engel der Berge" nannten. Ich war kein Engel. Ich war ein Krieger.

Charly Gaul








Mein erstes richtiges Jedermannrennen


2010 bin ich mal im Tannheimer Tal einen Radmarathon gefahren. Mit einem Jedermannrennen ist der nur bedingt zu vergleichen, weil es ja vor allem um das Klettern geht, und außerdem ist das Ganze schon vier Jahre her. Am Charly-Gaul-Gedächtnisrennen des ACC Contern mit Start und Ziel im Luxemburger Städtchen Echternach wollte ich seit Jahren schon mal teilnehmen, aber es kam immer was dazwischen. Gestern, bei der Jubiläumsausgabe, dem 25. Rennen, das an die Luxemburger Radsportlegende Charly Gaul, den ehemaligen Tour-de-France- und zweifachen Giro-d'Italia-Sieger, erinnert, war es soweit!

Das "GUT"-Team NK/SLS mit mir links, in der Mitte
Christian Klein, rechts Mark Neufang
Das Schöne war vor allem, das ich nicht alleine starten musste: Gemeinsam mit meinen Freunden Mark Neufang und Christian Klein bildeten wir ein schönes Neunkirchen-Saarlouis-Team. Mark und ich reisten gemeinsam an, Christian traf uns am Start.

Abends zuvor hatte ich noch eine Riesenschüssel Nudeln verdrückt und auch morgens reichhaltig und vor allem kohlehydratreich gefrühstückt - das sollte sich später noch auszahlen.

Am Start auf dem Marktplatz in Echternach standen fast 500 Radfahrerinnen und Radfahrer (588 waren eingeschrieben, 483 nahmen teil, 465 wurden klassiert), die Spitze bestand wie immer aus gestandenen Profifahrerinnen und -fahrern (1995 gewann hier ein gewisser Bjarne Riis), aber auch bei den anderen sah man an Ausrüstung, Wadenmuskulatur und Auftreten, dass sie nicht mal eben nur ein bisschen zum Spass fahren. Wir kamen relativ knapp zum Start und mussten daher fast in der letzten Reihe stehen.

Beim Start noch ganz hinten...
Direkt nach dem Start pünktlich um 09.00 Uhr setzte sich der Tross nur langsam in Bewegung. Bis Mark, Christian und ich ins Rollen kamen, waren die ersten schon gut zwei Minuten unterwegs.

Christian - mit all seiner Erfahrung als ehemaliger Rennfahrer - tat genau das Richtige: Er zog mich und Mark gleich zu Beginn die erste von insgesamt 15 Steigungen in Richtung Michelshaff hoch - 4,5 km á 4,4%, und auch auf der "Hochebene" in Richtung Graulinster hielt er das Tempo hoch, die ersten 12 km fuhren wir trotz 230m Höhenunterschied in einem 30er-Schnitt, was es uns aber ermöglichte, auf der Abfahrt ins Tal der weißen Ernz, eines rechten Nebenflußes der Sauer, an eine große Gruppe von ca. 40 Fahrerinnen und Fahrern ranzufahren, in der wir uns fortan einrichteten.

Christian zog Mark und mich am Anfang gut mit...
So hatten wir in der ersten Rennstunde einen 35,4er-Schnitt und fühlten uns nicht im geringsten überfordert. Ohne Christians resolutes Antreten wären wir in die Gruppe nie und nimmer reingekommen und hätten so in der kompletten ersten Rennhälfte viel mehr Kraft für viel weniger Resultat investieren müssen. Wir fuhren das Tal der weißen Ernz hinab - es rollte prächtig.

So ging es auch in der zweiten Rennstunde weiter: Wieder im Tal der Sauer angekommen, gab es einen kleinen Anstieg, danach ging's immer schön gleichmäßig und gut rollend die Our, einen knapp 100 km langen linken Nebenfluß der Sauer, hoch.

Wir passierten die Staumauer des Pumpspeicherwerks von Vianden, übersprangen einen kleinen Berg und fuhren wieder entlang des Flußes durch Stolzenburg. Ich fühlte mich prima, fuhr sogar vorne in der Gruppe mit, weil ich, wenn ich hinten bleibe, immer Probleme bekomme und die Positionskämpferei um die letzten Anschlussplätze gar nicht mag.

Dann kam der erste richtige Klopper: Die Our verlassend, wurde die "Côte de Wahlhausen" (der fünfte von 15 Anstiegen, 5 km mit 5,6%) von der gesamten Gruppe ziemlich defensiv angegangen, so dass nur wenige hinten rausfielen. Nicht mißverstehen, wir fuhren nicht langsam - es explodierte nur vorne in der Gruppe nichts, da war das Drinbleiben kein Problem für mich, zumindest nicht im Anstieg.

"Abfahrten sind nicht dazu da, sich zu erholen,
sondern um Löcher zuzufahren..."
Nach einer schnellen Abfahrt gings gleich wieder hoch nach Nachtmanderscheid, ich hatte im letzten, flacheren Teil der Abfahrt kurz den Anschluss verloren, aber wie eigentlich immer in der darauffolgenden Auffahrt das kleine Loch problemlos wieder zufahren können - Anstiege liegen mir einfach mehr als lange Flachpassagen.

Beruhigend war in dieser Phase, dass Christian sich ständig nach mir umblickte. Auch im Anstieg behielten wir unsere Teamkollegen immer schön im Auge.

Oben war dann die erste Verpflegung, wir hielten uns nicht lang auf, stopften uns die Taschen voll und füllten die Flaschen auf, dann ging's mit der ganzen Gruppe weiter. Wir waren schon kurz vorm "Bergfest", Schnitt 31,5 km/h. Das sollte sich noch relativieren...

Blick auf Wallendorf im Sauertal bei km 105
Hier oben auf dem Höhenzug Richtung "Bassins superieurs" des Viandener Pumpspeicherwerks war das Profil sehr wellig.

Ich war mit Mark hinten in der Gruppe, als ich plötzlich bemerkte, dass Christian abgefallen war. Ich hörte kurz auf zu treten, versuchte noch, Mark zu informieren, aber er war mit der Gruppe mirnix, dirnix schon 50m weg und hörte mich nicht mehr.

Ich liess die Gruppe gehen und wartete auf Christian, der gerade zu Beginn des Rennens viel investiert hatte und nun langsam die ersten kleinen Krämpfe bekam.

Als er wieder dran war, versuchte ich noch, uns wieder an die Gruppe ranzufahren, aber das war vergebens. So fanden wir uns mit unserem Schicksal ab, auf Gruppetto-Suche gehen zu müssen, gingen gemeinsam in die Abfahrt Richtung Vianden und dann in den Gegenanstieg nach Fouhren, den siebenten von 15 "Côtes".

Auch in den Anstiegen blieb unsere Gruppe homogen
Nach und nach sammelten wir noch drei Fahrer ein, die den Anschluss an die Gruppe verloren hatten, und taten uns ab Bettendorf, wo es wieder flach die Sauer hinabging, zusammen. Das ging gut, Christian hatte sich wieder erholt, ich spürte nun auch vor allem die Oberschenkel, aber die "Krämpfchen" waren kaum störend und durch regelmäßige Wiegetrittfahrten unter Kontrolle zu halten.

In dieser Phase des Rennens zeigte sich die Wichtigkeit einer funktionierenden Gruppe vor allem in Flachpassagen: Wenn man von fünf Kilometern nur einen im Wind fahren muss und sich auf den anderen vieren "verstecken" kann, spart man jede Menge Körner.

Trotzdem kann man natürlich nicht das Tempo fahren wie eine 30-40 Fahrer starke Gruppe: Bei Strava hab ich beispielsweise herausgefunden, dass der Niederländer Kaj Heeres, der lange Zeit mit uns und nachher noch mit Mark in der Gruppe war und einige Plätze vor ihm reinkam, z.B. die Flachpassage von Bleesbruck bis zum Beginn der Côte No. 8 (Beforterheed), 11,9 km an der Sauer entlang, in 19:00 fuhr, während wir dafür 20:45 brauchten. Da sieht man mal den Unterschied - ich geh einfach davon aus, dass die Gruppe da noch einigermassen zusammen war.

Hintenraus werden die Anstiege gefühlt immer steiler...
Was auffiel: Immer wieder standen einzelne, arme Fahrer am Straßenrand und reparierten ihre "Platten" - aber irgendwie hatte ich den Eindruck, es seien fast nur Fahrer von hochpreisigen Carbonfelgen von der Plage betroffen. "Normale" Laufräder, wie meine zum Beispiel, taten das, was sie sollten - sie liefen. Ich klopfte jedesmal auf Holz, wenn ich an einer "Pannage" vorbeifuhr.

Wir hatten jetzt die "Our-Schleife" des Rennens hinter uns und kamen die Sauer hinab, wieder durch Reisdorf, wo wir schon 62 km vorher bei km 35 aus dem Tal der weißen Ernz hinaus vorbeigekommen waren, nur eben flußaufwärts. Jetzt ging's wieder über die weiße Ernz, in die andere Richtung.

Drei Fahrer unserer Gruppe kurz vor der "Côte No. 15"
raus aus Bousdorf - der letzten Steigung...
Zwei Kilometer danach passierten wir den Grenzort Wallendorf in Deutschland, wo die Our in die Sauer fließt, und wieder fünf Kilometer später hatte es sich mit dem Flachfahren - wir verließen das Sauertal, der nächste heftige Anstieg wartete schon auf uns.

Hoch über Bigelbach ging es auf die "Beforterheed", die Höhen über Beaufort (4,8 km mit 4,6%). Ausschließlich über autofreie, asphaltierte Feldwege, schmal, aber gut ausgebaut - die Steigung hatte einige richtig giftige Rampen.

Nach der Überfahrt der Kuppe dann eine kurze Abfahrt in den oberen Teil von Beaufort, Verpflegung, runter ins Tal von Beaufort mit dem tollen Schloss (das war, wie so viele Stellen des Rennens, auch echt was fürs Auge), wieder hoch - es wurde sehr wellig hier in der Luxemburger Schweiz, aber wir sammelten noch einige Fahrer ein, bevor wir die schwarze Ernz überquerten.

Nun ging es viel durch Wald - das war gut, denn die Sonne hatte nun, zwischen 12 und 13 Uhr, so richtig Kraft.

Kurz vor dem Ende der Côte No. 15 - da kann man
dann doch ein bisschen lächeln...
Auch hier blieben wir auf den kurzen Flachpassagen und leichten Anstiegen als Gruppe durch Consdorf (danach kreuzten wir die N11, auf der wir die ersten Kilometer gefahren waren), Bech, Berbourg und Lellig (hier war die dritte und letzte Verpflegungsstation, an der wir aber nicht mehr anhielten) zusammen. Christian und ich investierten dafür aber schon einiges, indem wir des öfteren Löcher zufuhren, die andere bereitwillig aufgehen liessen. So ging es wieder Richtung unteres Sauertal bei Hinkel.

In dieser Phase war uns, obwohl wir vielleicht schneller hätten fahren können, der Zusammenhalt der Gruppe schon wichtig, was sich auch als vernünftig erwies - wer weiß, was bei einer aggressiveren Fahrweise mit den brodelnden "Krämpfchen", die wir ja gut unter Kontrolle hatten, passiert wäre...

Christian auf der letzten Abfahrt ins Sauertal - noch 10 km...
Ab und zu fuhren wir Fahrer und Gruppen nicht nur auf, sondern überholten diese schnell - aber bevor man zu stolz auf die vermeintlich gute Einteilung der eigenen Kräfte wurde, half ein Blick auf die Startnummer des bzw. der Aufgefahrenen.
Die war dann meistens gelb - also handelte es sich um Teilnehmer des B-Rennens über 98 km, das ca. eine Stunde später gestartet wurde und sich in Bigelbach mit unserer Strecke getroffen hatte. Klar, dass die gemütlicher unterwegs waren...

Dann ging's ins Finale: Die letzten drei "Côtes", die CR141 Richtung Mompach (No. 13) und die Anstiege aus Givenich (No. 14) und Boursdorf (No. 15) verlangten uns nochmal alles ab - einige mussten auch reissen lassen, Christian und ich kontrollierten das Geschehen in der Gruppe aber meist von vorne.

Vor der Côte No. 13 waren wir übrigens Luftlinie gerade mal noch 1,5 km von Wasserbillig und damit der Mündung der Sauer in die Mosel entfernt - doch anstatt flach zu fahren, mussten wir noch drei kurze, gemeine Anstiege gemeinsam erklimmen. Das gelang auch, und endlich waren wir in Dickweiler - abgesehen von ganz kurzen Rämpchen, über die man mit Schwung auch drüberrollen konnte, lagen alle Anstiege hinter uns.

Endlich im Ziel!
Wir blieben zu sechst zusammen und machten uns in die Abfahrt in Richtung unteres Sauertal, das wir bei Hinkel wieder erreichten. Jetzt noch knapp 10 km größtenteils flach die Sauer hinauf, dann ist's geschafft!

Nun versuchten ein Holländer und ein Belgier wegzuspringen, aber Christian und ich passten auf, fuhren die Löcher wieder zu und sorgten auch durchs Aufsammeln von zwei weiteren Fahrern so für eine schöne, schnelle Achtergruppe, die dann doch noch mit einem 36er Schnitt die letzten Kilometer in Richtung Ziel runterriss.

Froh und glücklich überfuhren Christian und ich gemeinsam die Ziellinie. Wir waren uns einig, dass wir besser nicht gleich absteigen, sondern erstmal noch 2-3 km weiterrollen und dabei die Beine schön rundgehen lassen - sonst Krampfgefahr. Mark wartete schon auf uns, er konnte die große Gruppe noch eine Zeitlang halten, musste sich aber, als diese sich am langen Anstieg nach Consdorf (Côte No. 11) auflöste, die letzten 40 km fast allein durchkämpfen, ehe er in Richtung Ziel wieder eine Elfergruppe hatte.

Am Ende hatte er neuneinhalb Minuten vor uns das Ziel erreicht - Mark als 286ter, ich als 318ter, Christian als 319ter (AK 40-49: Mark Platz 84, ich Platz 96, Christian Platz 97). Ein durchaus respektables Teamergebnis - alle Fahrer in der Top100 der Altersklasse G (40-49).

Die Abkühlung danach... (Foto: Christian Klein)
Unter allen deutschen Startern belegten wir die Plätze 7, 9 und 10. Mark war drittschnellster Deutscher in der AK 40-49, direkt gefolgt von den beiden anderen Teammitgliedern, also mir und Christian, auf 4 und 5.

Wir waren alle sehr zufrieden - eigentlich war mein persönlich optimistischstes Ziel gewesen, unter Ausklammerung der Pausen einen Schnitt von 30 km/h zu erreichen.

Gerechnet hatte ich eher mit einem Schnitt zwischen 28 und 29 - am Ende war es hochoffiziell ein Schnitt von 30,2 km/h MIT den Pausen, ohne sogar 30,8 km/h.

Gewonnen hat übrigens der 28 Jahre alte Belgier Jérôme Giaux mit einer Zeit von 4:11:30 (Schnitt: 39,1 km/h) und einem Vorsprung von 1:36 vor seinem Landsmann Jari Verstraeten. Und vor 10 weiteren Landsmännern, denn die ersten 12 Plätze gingen allesamt an Belgier, ehe der beste Luxemburger Christian Poos (37) diese Phalanx durchbrach - mit 12:58 Rückstand.

Geschafft, aber zufrieden. Jetzt ab unter die Dusche!
Auf den ersten 25 Plätzen fanden sich 21 Belgier, zwei Luxemburger und zwei Niederländer - bester Deutscher war der 45jährige Jörg Maring auf Platz 131 mit 30:20 Rückstand.

Nicht nur von der sportlichen Herausforderung, auch vom Erlebniswert aufgrund der wunderschönen Route vor allem durch die Luxemburger Schweiz war die Teilnahme am 25éme Charly Gaul ein absolutes Highlight meines Rennradjahres - und ich denke, da kann ich auch für die Sport- und Teamkameraden Mark und Christian sprechen.

Nach einer guten Dusche genossen wir noch höchst ungesunde, aber sehr leckere Mettwürste und "Moselbeer" auf dem Markplatz in Echternach (Günther Debusmann, der ehemalige SRB-Landesjugendtrainer, der in seiner aktiven Karriere gemeinsam mit dem Sieger Charly Gaul bei der Tour de France 1958 an den Start ging, hätte sich im Grabe rumgedreht, meinte Christian sinngemäss, aber wir sind ja aus dem Alter, wo wir noch schon direkt nach dem Rennen gleich an das nächste Rennen denken müssen, raus), ehe wir uns verabschiedeten und zufrieden nach Hause fuhren.
Decent product placement... ;-) (Foto: Christian Klein)

Das war nicht das letzte Mal, dass ich hier gefahren bin. Ein dickes Lob an den ACC Contern, der ein Spitzen-Jedermannrennen auf die Beine gestellt hat, und an alle ehrenamtlichen Helfer, ob an der Strecke, an den Verpflegungsstationen oder in der Orga - klasse Leistung, es fehlte an nichts, alles prima!

Und was total toll war: Während des Rennens ergaben sich so viele Kontakte, Gespräche und Austausche mit Dänen, Luxemburgern, Franzosen, Niederländern, Österreichern und was weiß ich noch alles - egal, eine Familie, die Rennradfahrer.

Man hilft und unterstützt sich gegenseitig - sei es mit Material, mit Essen und Trinken oder auch mal nur mit einem Loch-zu-Fahren oder einem Berg-Hochziehen. Und das ist das wirklich Faszinierende an diesem Sport.

Auf ein Neues beim Charly Gaul 2015, voraussichtlich wie bisher immer am ersten Septembersonntag, somit am 06.09.. Ich freu mich jetzt schon drauf!



Das Höhenprofil der 25éme Charly Gaul




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