Mittwoch, 17. August 2016

Monte Baldo: Über die Hänge des Nunataks

Monte Baldo: Über die Hänge des Nunataks





Die Fahrt als Animationsfilm von relive.cc



Königsetappe am Gardasee

Das war die schönste Eintagestour, die ich je gemacht habe!



Vor der Abfahrt
Nachdem ich am vergangenen Sonntag die Westseite der Berge um den Gardasee erkundet hatte, stand heute ein Ausflug auf den Monte Baldo an. Meine Beine hatten sich vom Sonntag trotz zweier Lauftrainings zwischendrin einigermaßen gut erholt, und so ersetzte ich den 100-Minuten-Lauf des heutigen Tages im Trainingsplan von Herbert Steffny guten Gewissens durch diese Tour.

Meine Frau und die Mädels fuhr ich vorher aber noch zum "Alternativprogramm" ins Gardaland bei Lazise am Ostufer. Direkt nach der Rückkehr packte ich mir die Taschen mit Mampf und Trunk voll und fuhr los.

Auch hier, wie schon am Sonntag: Die ersten 25 km waren zwar flach und recht locker zu fahren, aber aufgrund der völlig verstopften Straßen alles andere als stressfrei.

In Peschiera del Garda
Wo ich konnte, wich ich auf Radwege aus, aber ich war froh, als ich endlich in Garda angekommen war und die SR249 verlassen konnte, indem ich rechts auf die SP8 abbog.

Es ging erstmal auf 3 km ca. 180 hm nach oben, ehe ich bei Costermano auf eine ca. 4 km lange schnurgarde Straße kam, die mich nach Caprino Veronese führte. Hier begann der Anstieg nun richtig!

Ich verließ kurz vor dem Ortsausgang allerdings die SP8 (oder auch die "Via Enzo Ferrari", benannt nach dem Patron der berühmten Autofabrik) für eine Zeitlang und fuhr über Hinterlandstraßen durch eine wunderschöne Landschaft hinauf nach Villmezzano und rechts vorbei am Monte Braggo (572 m über N.N.), ehe ich wieder auf die Hauptstraße kam.

Kurz vor Villmezzano
Ab dort windet sich die Straße in wunderschönen Kurven mit 5-8% Steigung recht gleichmäßig nach oben und gibt immer wunderschöne Blicke hinunter ins Hochtal  des Flusses Tasso bis sogar zum Gardasee frei. Die Qualität der Straßen ist übrigens durchgehend gut: Ob Seiten- oder Hauptstraße, es gab kaum Schlaglöcher oder Schmutz. Klasse!

Beim Befahren der Strecke wird einem klar, warum sie nach Enzo Ferrari benannt ist: Das einzige, was vielleicht noch mehr Spaß machen könnte, als sie mit dem Rennrad zu erklimmen, wäre eine Bergauf-Tour in einem roten Sportwagen der Nobelmarke...

Blick von der "Via Enzo Ferrari" zurück zum Gardasee
Sechs Kilometer dauerte dieser Streckenabschnitt, knapp 350 hm überwand ich dabei in 25 Minuten. Nun kam ich an den Ortseingang des schönen Bergdorfes Spiazzi.

Hier hat man die Qual der Wahl: Entweder man fährt links, dann kommt man auf eine teils bewaldete, gleichmäßig ansteigende Strecke entlang der Quellbäche des "Torrente Tasso" auf eine Hochebene - bei mäßiger Steigung, 270 hm auf sieben Kilometern (SP8 dir). Das war es auch, was ich an diesem Tag machte.

Die spektakulärere Alternative (die ich einige Tage später auf der Heimfahrt mit dem Auto erkundete) ist der Verbleib auf der SP8.

Die "SP 8 dir" zwischen Spiazza und Ferrara Monte di Baldo
Nach wenigen Metern in Spiazzi eröffnet sich einem in der Ortsmitte ein atemberaubender Blick ins 700m tiefer gelegene Tal der Adige (Etsch).

Dann geht es zunächst mal ca. 150 hm hinunter nach Ferrara di Monte Baldo, ein wie an den Hang geklatschtes Bergdorf, wo man ab der Ortsmitte entweder über einige brutale Kehren mit teilweise 20% oder über die SP8 mit einem kleinen Umweg, aber mäßigerer Steigung über das "Oberdorf" wieder auf die Strada Provinciale Monte Baldo kommt. Das sind dann 420 hm.

Ab dort, wo sich SP8 und SP8 dir wieder treffen, warteten die letzten 5,9 km bis zum höchsten Punkt der Strecke auf mich, die zwischen 1.550 und 1.600 m über N.N. liegt (so genau ist das kaum rauszukriegen, da hier acht Quellen acht Ergebnisse liefern).

Beeindruckende Panoramen überall
Einigen wir uns mal auf ca. 500 Höhenmeter - es war schon ein anstrengender Ritt. Nach zunächst mäßigem Anstieg gelangt man zum Rifugio Novezzina am "Orto Botanico di Monte Baldo", woran sich die Bezeichnung "Nunatak" für den "kühnen Berg" erklären lässt:

Nunatak bezeichnet in der Glaziologie einen isolierten, über die Oberfläche von Gletschern und Inlandeismassen aufragenden Felsen oder Berg.

Die „Nunatakhypothese“ geht davon aus, dass in den während der Eiszeiten vereisten Gebieten Nunatakker wichtige Rückzugsgebiete (Refugien) für viele Tier- und Pflanzenarten bildeten.

Nach der Cavallo di Novazza: Es geht weiter hoch...
Diese „Inseln“ im Eis spielten dieser Theorie zufolge eine wichtige Rolle beim Überleben von Pflanzenarten wie dem Himmelsherold, Dolomiten-Fingerkraut, Schweizer Mannsschild oder der Alpen-Grasnelke (Quelle: Wikipedia).

Obwohl heute umstritten, hat sich diese Hypothese wohl zumindest zeitweise so gut gehalten, dass sie die Gründer des Botanischen Gartens motivierte.

Ab dort wird die Steigung allerdings heftig. Nach zwei Spitzkehren fährt man eine lange Gerade, fast 2 km, 220 hm - also 11% im Schnitt.

Das Gemeine dabei: Oben sieht man die "Cavallo di Novazza", die von unten kommend aussieht wie eine Passhöhe, und meint, man sei oben, wenn man dort sei. Falsch: Die Cavallo bildet zwar eine Art Sattel zwischen dem Flußsystem des Torrente Assana und der Torrente Aviana, aber beileibe noch nicht das "Ende der Fahnenstange", was den Anstieg zum höchsten Punkt der Strada Provinciale Monte Baldo angeht. Das sieht man aber erst, wenn man oben ist.

Blick ins Tal der Torrente Aviana
Man mag sich vorstellen, dass mich dies ziemlich misslich stimmte. Vor allem, wenn man dann links die Rampe sah, die einem bevorstand: 600 m lang, 80 hm Differenz: 13,3%.

Argh! Ich quälte mich mit 39/27 da hoch und wünschte mir zum ersten Mal seit langem einen "Rettungsring" oder zumindest hinten eine 29 oder 31. Aber dahinter ging's: Zwar wand sich die Straße immer noch nach oben, aber nun recht flach und auch nicht mehr lange.

Dann war ich endlich oben: Der Blick hinunter ins Tal des Torrente Aviana (ich sollte später in die namensgebende Stadt Avio kommen) war atemberaubend schön. Da hatte sich die Mühe doch gelohnt!

Serpentinen, Serpentinen...
Von Garda bis an den höchsten Punkt der Strecke hatte ich ziemlich genau 2 Stunden gebraucht - für 30 km, das entspricht einem Schnitt von 15 km/h. Durch die zwei längeren Flachpassagen konnte ich da den Schnitt schon ein wenig heben.

Nun begann die längste Abfahrt meines Radfahrerlebens. Es ging, nur unterbrochen von einer ca. 200m kurzen Gegensteigung, die ich mit Schwung locker durchfuhr, 22 km am Stück bergab bis nach Avio.

... und steile Felswände!
Lange Geraden, Almen, enge Serpentinen, ein Stausee, Wildbäche, Felsüberhänge: Es war alles dabei. Teilweise kam ich mir etwas komisch vor und dachte dauernd: So viele Höhenmeter, wie Du hier abfährst, kannst Du doch unmöglich erfahren haben!

Nach 34 Minuten kam ich aber in Avio an, und nun wußte ich, dass ich noch ca. 30 km flach, dann 10 km Hügel und nochmal 22 km flach vor mir hatte, bis ich wieder zuhause war.

Es ging weiter die Etsch runter, interessant dabei war für mich die Entdeckung des Canale biffis, eines 47 km langen künstlichen Seitenkanals der Etsch (8 km davon in Tunneln!), der kurz vor Avio beginnt und bis nach Verona führt. Er dient vornehmlich der Bewässerung der Obstplantagen entlang der Etsch, speist allerdings daneben auch zwei Wasserkraftwerke.

Der Canale biffis mit angrenzendem Radweg
Unangenehm: Hier im Tal der Etsch blies ein heftiger Gegenwind von Süden. Glücklicherweise fand ich mit ein wenig Anstrengung Anschluss an einen ca. 400m vor mir fahrenden Traktor, der mir für 4-5 km Windschatten bot.

Danach wurde es mühselig, und ich bekam auch Durst: Glücklicherweise fand ich in Brentino Belluno direkt an der Etsch eine Trattoria, wo ich mich erfrischen konnte.

Dort traf ich eine Gruppe Radfahrer aus Sankt Salvator (der Vereinsname lautete, glaube ich mich zu erinnern, "Turbine"). Nette Jungs, aber sie sahen ziemlich fertig aus!

Das Forte Ceraino
Kein Wunder: Sie waren bereits seit einigen Tagen nach Rom unterwegs und wollten heute noch bis nach Verona fahren! Ich wünschte viel Glück und erinnerte mich meiner Alpenüberquerungen mit der Spanischen Bergziege Schwarzenholz 2007 und 2009.

Ich fuhr nun weiter die Etsch abwärts, vorbei an vielen Granit- und Marmorsteinbrüchen, ehe ich bei Volargne letztmals die Etsch überquerte und die Wasserscheide zwischen Etsch und Po überwand.

Über Pastrengo, Colà und Cavalcaselle gelangte ich zurück nach Peschiera del Garda und fuhr von dort wie auf dem Hinweg nach Hause.

Müde, aber glücklich und voller Eindrücke ruhte ich mich erst mal am Pool aus, ehe ich meine Mädels ins Gardaland abholen ging. Nach dem, was sie mir so erzählten, hatten wir an diesem Tag alle unseren Spaß - jeder nach seiner Façon!








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